Fehlanzeige Sommermärchen

Nun ist sie also eine Woche alt unsere Frauen-Fußball-WM im eigenen Land. Und die von allen Fußball-Fans heiß herbeigesehnte Neuauflage des Sommermärchens 2006 ist … tja bislang leider ausgeblieben. Zwar hat sich die deutsche Nationalmannschaft bereits frühzeitig für das Viertelfinale qualifiziert, die TV-Quoten erreichen überraschende Höhen und auch Spiele ohne deutsche Beteiligung sind tatsächlich ausverkauft, das große Spektakel ist bislang jedoch ausgeblieben und die spielerische Qualität der meisten Partien lässt sehr zu wünschen übrig.

DFB kräftig Werbetrommel gerührt

Seit vielen Monaten rührt der Deutsche Fußballbund nun schon die Werbetrommel für die Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land. Er hat sich das Spektakel auch einiges kosten lassen. Viele Millionen Euro wurden investiert damit auch 2011 wieder ein Sommermärchen im eigenen Land zelebriert werden  kann. Tatsächlich ist diese WM sicherlich das beste und größte Frauen-Fußball-Turnier, das die Welt bislang gesehen hat. ARD und ZDF übertragen wie gewohnt  auf qualitativ höchstem Niveau, in den Stadien sorgen zig tausend Fans für eine weltmeisterliche Stimmung und die Nebenschauplätze sorgen für reichlich Futter in den Medien. Und dennoch will der Funken nicht wirklich überspringen. Eine Neuauflage des Sommermärchens ist dieses Turnier noch nicht, wird es vermutlich auch nicht werden. 

Deutschland-Trikot blieb im Schrank

Menschenmassen in bunten Trikots sucht man auf den Straßen der Großstätte zum Großteil vergebens. Die Fangemeinschaft ist einfach eine andere. Kamen 2006 Fußball-Fans aus der ganzen Welt in Massen nach Deutschland, füllen bei diesem Turnier weitestgehend deutsche Zuschauer, die Freude am Event haben, die Stadien. Sicher sorgen diese Fans auch für viel Stimmung, spontane Straßenfeiern oder aufgeheizte Schlachtgesänge im Stadion vermisst der Fußballfan allerdings. Das Public Viewing vor Großleinwänden oder in den Biergärten des Landes hält sich genauso in Grenzen wie das liebevolle Schmücken der Balkons oder Fahrzeuge.  Das Deutschland-Trikot des begeisterten Anhängers, das 2006 wenn überhaupt eine Zwangspause erhielt, um die Waschmaschine mal von innen zu sehen, hängt bei den meisten noch im Schrank.

Medienrummel lähmt das Spiel

Dabei erleben die deutschen Spielerinnen einen ihnen weitestgehend unbekannten Hype.  Sämtliche Medien schenken den Stars eine ungeahnte Aufmerksamkeit, zig Tausend jubeln den Spielerinnen im Stadion zu und die TV-Quoten schießen in die Höhe. Doch unsere Mädels müssen nun auch die Kehrseite der Medaille kennen lernen. Der Druck ist immens und das große Interesse wirkt offenbar lähmend. Spielerisch konnte die deutsche Mannschaft bislang nicht überzeugen, die Leichtigkeit aus der Vorbereitung, die die DFB-Elf zum absoluten Topfavoriten gemacht hat, ist komplett verloren gegangen.

Zu allem Überfluss bekommt eine Birgit Prinz nun die volle Macht der Medien zu spüren. Doch nicht nur die deutsche Mannschaft tut sich bislang schwer. Eine spielerische Offenbarung bekamen die Zuschauer bislang nicht zu sehen. Natürlich ist der Frauenfußball nicht mit dem der Männer zu vergleichen. Doch die hohe Anzahl an Fehlpässen und Stockfehlern ist unübersehbar. Bislang wurden höchstens die USA und Brasilien ihrer Favoritenrolle gerecht. Eine Wohltat ist das Spiel der Japanerinnen, die sich durch zwei starke Vorstellungen bereits das Ticket für die Runde der letzten Acht erspielt haben. Neben Japan haben sich nach dem zweiten Spieltag schon Deutschland, Frankreich, Schweden, Brasilien und die USA für die nächste Runde qualifiziert.  Eine wahre Sensation ist bislang ausgeblieben. Nur die Regelkunde einiger Schiedsrichterinnen führte bislang zu Überraschungen.

Zeit für ein eigenes Märchen

Dennoch ist die WM im eigenen Land bislang ein gelungenes Fest. Man darf den Vergleich zur WM 2006 einfach nicht ziehen. Die Frauen-WM kann das Sommermärchen von damals nicht wiederholen, sie kann ihr eigenes Märchen schreiben. Und genug Stoff für spannende Geschichten gibt es ja schon: Die nigerianische Trainerin Eucharia Uche, die sich negativ gegenüber Lesben äußert, der koreanische Coach Kim Kwang-Min, der mit dem  Blitzeinschlag in der Vorbereitung die schlechte Leistung seiner Mannschaft gegen die USA erklärt oder die vermeintlichen Männer in der Nationalmannschaft Äquatorial-Guineas. Ja, selbst einen Dopingfall hat diese WM bereits.  Und sind wir ehrlich, zwei Siege aus zwei Spielen hat die Mannschaft von Silvia Neid geholt und der sichere Einzug ins Viertelfinale ist frühzeitig perfekt. Nach dem Spielverlauf fragt nachher niemand mehr. Bei den Titeln der Herren war auch nicht jedes Spiel eine Offenbarung. Alles ist möglich. Auch ein weiteres Sommermärchen. Was will das Fußballherz also mehr?