Globaler Wachstumsmarkt Medizintechnik

Die Nachfrage nach Medizintechnik wird bis 2020 weltweit deutlich zunehmen. Zwar bleibt auch die Medizintechnik nicht von den Folgen der Wirtschaftskrise verschont, die stabilen makroökonomischen Trends sorgen mittel- und langfristig aber für ein überproportionales Wachstum der Branche. Von Prof. Dr. Henning Vöpel

Maßgebliche Determinanten der Nachfrage nach Medizintechnik sind das Bevölkerungs- und das Wirtschaftswachstum sowie die demografische Entwicklung. Nach Prognose des HWWI wird die Nachfrage nach Medizintechnik bis 2020 in den USA und Westeuropa um jährlich rund 4 % zunehmen, in Osteuropa um 8 % und in China und Indien sogar um mehr als 10 %.

Die Prognose steht unter dem Vorbehalt, dass alle sonstigen Faktoren, die Einfluss auf die Nachfrage nach Medizintechnik haben können, als konstant im Prognosezeitraum unterstellt werden. Insbesondere das Gesundheitssystem und die Sozialversicherungssysteme haben dabei einen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe und die Struktur der Gesundheitsausgaben eines Landes. Gerade in Ländern, in denen es weder eine staatliche Altersvorsorge noch eine öffentliche Gesundheitsversorgung gibt, müssen ältere Menschen, die infolge häufigerer und längerer Krankheiten typischerweise eine hohe Gesundheitsnachfrage haben, ihre Ausgaben für Gesundheit aus ihren zumeist geringen privaten Einkommen finanzieren. Reformen des Gesundheitssystems – wie sie zum Beispiel in den USA zu erwarten sind – können daher zu einer sprunghaft Veränderung der Gesundheitsausgaben führen.

Ein steigendes Pro-Kopf-Einkommen hat nicht nur Auswirkungen auf die Höhe der Nachfrage nach Medizintechnik, sondern außerdem auf ihre Struktur. Es werden nicht einfach nur mehr medizintechnische Güter nachgefragt, sondern die Nachfrage verlagert sich von den Bedürfnissen einer medizinischen Grundversorgung hin zu einer qualitativ höherwertige Versorgung. Neben der privaten Nachfrage dürfte bei steigendem Einkommensniveau besonders in China, aber ebenso in Indien gerade die öffentliche Gesundheitsversorgung zunehmen. Damit sind eine höhere Dichte an Ärzten und Krankenhäusern verbunden, die einen zusätzlichen Bedarf an medizintechnischer Ausstattung implizieren. In Westeuropa dürften die öffentlichen Gesundheitsausgaben dagegen tendenziell weit weniger stark wachsen. Das latente Finanzierungsproblem von gesetzlichen Krankenversicherungen hat schon in der Vergangenheit zu politischen Kostendämpfungsmaßnahmen geführt. Der Konsolidierungsdruck auf die öffentlichen Haushalte hat im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise zugenommen. Der Sparzwang im Gesundheitswesen dürfte gerade für medizintechnische Innovationen negative Folgen haben.

Die deutsche Medizintechnik kann von dem starken Wachstum der weltweiten Nachfrage profitieren. Traditionelle Märkte bieten ebenso wie neue Exportmärkte günstige Absatzchancen. In bereits erschlossenen Absatzmärkten wie den USA oder Westeuropa wird die Nachfrage vor allem infolge eines hohen Einkommensniveaus, einer steigenden Gesundheitspräferenz und der demografischen Alterung zunehmen. Die Nachfrage richtet sich dabei zunehmend auf medizintechnische Innovationen mit höherer Qualität und größerer Produktvielfalt aus. Der Anteil der innovativen Produkte in der Medizintechnik, die noch nicht länger als drei Jahre auf dem Markt sind, liegt bei rund einem Drittel.

Die bevölkerungsreichen und schnell wachsenden Entwicklungs- und Schwellenländer sind hingegen zum Teil als Absatzmarkt noch kaum erschlossen. Der Marktanteil der deutschen Medizintechnik ist entsprechend gering. Sie bieten daher in Zukunft in zweierlei Hinsicht ein hohes Wachstumspotenzial – durch wachsende Märkte und durch steigende Marktanteile. Gerade bei niedrigen Pro-Kopf-Einkommen nimmt die Gesundheitsnachfrage über-proportional mit dem Einkommen zu. Die empirischen Schätzungen haben ergeben, dass die Einkommenselastizität der Medizintechnikausgaben je nach Spezifikation zwischen 1,3 und 1,7 variieren. In diesen Ländern wächst der Gesundheitsmarkt vor allem durch die Mengenausweitung, das heißt herkömmliche Produkte der Medizintechnik und Grundausstattungen der medizinischen Versorgung werden stärker nachgefragt. Bei insgesamt sehr dynamisch wachsendem Absatz wird daher der Anteil der Schwellenländer an den deutschen Medizintechnikexporten zunehmen.

Siehe Studie Globale Absatzmärkte der deutschen Medizintechnik – Perspektiven und Prognosen 2020,

HWWI Hamburgisches WeltWirtschafts Institut