Geschlechtsneutral: Wie die Besten an die Spitze kommen

„Frauen wollen keine Führungsverantwortung übernehmen. Aber wen interessiert das?“, sagt Avivah Wittenberg-Cox. Die Expertin für Fragen der Geschlechterverteilung in Führungspositionen wird ihre Erfahrung und kontroversen Thesen in einem Keynote-Vortrag am 13. Oktober auf der Zukunft Personal in Köln präsentieren. Dabei geht sie insbesondere darauf ein, wie Unternehmen eine bessere Gender-Balance erreichen.

Die Mehrheit der Hochschulabsolventen ist weiblich. Gleichzeitig haben Unternehmen wieder Probleme, passende Fachkräfte zu finden – und auch in Zukunft zeichnet sich angesichts des demografischen Wandels ein ähnliches Bild ab. Deshalb entdecken Personalverantwortliche derzeit Frauen als neuen Talentepool. „Es ist keine große Überraschung, dass Arbeitgeber dieses Thema aufgreifen“, urteilt Avivah Wittenberg-Cox vor diesem Hintergrund. „Überraschend ist, dass sie so lange gewartet haben.“

Der Genderexpertin zufolge tun sich die Firmen jedoch schwer, passende Instrumente zu finden, die Frauen tatsächlich in Führung zu bringen. Ein Grund: Unternehmen unterschätzten die Bedeutung des Themas noch immer. „Sie spüren zwar den wachsenden Druck, dass sie etwas unternehmen müssen, denn ihre Führungsteams sind nur mit Männern besetzt“, so Wittenberg-Cox. Doch sie glaubten, Gender-Balance sei lediglich gut für das Image oder helfe, Recruitingprobleme zu lösen. „Aber sie erkennen noch nicht, dass es sich dabei um ein riesiges Businessthema handelt.“

Instrumente gleichermaßen an Männer und Frauen richten

Auch die Art und Weise, wie Unternehmen Instrumente für eine bessere Gender-Balance einsetzen, hält Wittenberg-Cox für wenig glücklich. Sie verfolgten etwa mit Mentoring-Programmen eher „Fix the Women“-Strategien (frei übersetzt: „Doktert an den Frauen rum“). „Sie sagen: ‚Was ist bloß los mit diesen armen Ladies, dass sie es nicht an die Spitze schaffen? Wir geben ihnen ein Leadership-Training und Mentoring und helfen ihnen auf den Weg’“, erzählt die erfahrene Beraterin. Stattdessen sollten Unternehmen sich fragen, warum sie die Mehrheit der Talente nicht ausreichend anwerben, halten und fördern könnten. „Es sind die Manager, an denen man arbeiten sollte und nicht die Frauen.“

Spezielle Förderprogramme für Frauen lehnt Wittenberg-Cox folglich ab. Ihr geht es um eine Gleichbehandlung – egal ob beim Thema Mentoring oder Quote. „Ich würde keine Frauenquote, sondern eine ‚Gender-Balance-Quote’ empfehlen“, sagt sie. „Anstatt einer Frauenquote von 30 Prozent, sollten Arbeitgeber anstreben, auf jeder Hierarchieebene mindestens 30 Prozent Frauen und 30 Prozent Männer zu beschäftigen.“ In den Augen von Wittenberg-Cox wäre nur diese Haltung genderneutral. Das führe dazu, dass Frauen und Männer die Initiativen besser akzeptieren könnten. Auch ein zukünftiger Schutz für Männer sei darin angelegt.

Frauen wollen nicht an die Macht – na und?

Die häufig geäußerte Annahme, dass Frauen Führung gar nicht attraktiv finden, versucht Wittenberg-Cox erst gar nicht zu entkräften. „Frauen wollen keine Führungsverantwortung übernehmen. Aber wen interessiert das?“, fragt sie. Es gehe schließlich nicht darum, was Frauen wollten, sondern darum was Unternehmen bräuchten. Die Betriebe hätten Gender-Balance dringend nötig, da sie nachweislich besser für ihre Gewinne, ihre Kunden und ihre Talente sei. „Wenn Frauen in Unternehmen, wie sie jetzt sind, keine Führungspositionen übernehmen wollen, müssen sich die Organisationen ändern.“

Über Avivah Wittenberg-Cox

Avivah Wittenberg-Cox ist CEO des auf Genderthemen spezialisierten Beratungsunternehmens 20-first. Die Zeitschrift Elle wählte sie bereits unter die „Top 40 Women Leading Change“. Die in Frankreich lebende Genderexpertin, die neben der französischen auch die kanadische und die Schweizer Staatsangehörigkeit besitzt, beschreibt in ihren Vorträgen und Büchern, warum Unternehmen von einer besseren Gender-Balance profitieren – und wie sie eine solche etablieren können. Auf der Zukunft Personal, Europas größter Fachmesse für das Personalmanagement, spricht Avivah Wittenberg-Cox ebenfalls über dieses Thema:

„Why & How Women Mean Business: A Walk around Womenomics“,
Vortrag von Avivah Wittenberg-Cox auf der Zukunft Personal,
13. Oktober 2010, 14.30-15.30 Uhr,
Koelnmesse, Halle 3.2, Forum 8
Im Anschluss Public Interview