Erste Frau an der Spitze einer deutschen Börse

Während ihrer Banklehre von 1986 bis 1988 bei der Bayerischen Vereinsbank geschieht etwas Unvorhergesehenes: Christine Bortenlänger wird schwanger. Bei vielen anderen Frauen wäre damit die Karriere vorbei, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Nicht so bei Dr. Christine Bortenlänger. Interview von Nadja Hirz.

 Im Gegenteil. Christine Bortenlänger beginnt ein BWL-Studium, promoviert –  natürlich über ein Börsenthema. Es folgen Karriere-Stationen in der Bayerischen Landesbank und der Unternehmensberatung Dr. Seebauer & Partner und schließlich 1998 ihr erster Posten bei der Münchner Börse als stellvertretende Geschäftsführerin. Zwei Jahre später schafft sie es dann ganz nach oben.
Mit damals 33 Jahren ist die alleinerziehende Mutter und  zielstrebige Karrierefrau  nicht nur besonders jung sondern auch die erste Frau an der Spitze einer Börse. Im gleichen Jahr wird Christine Bortenlänger in den Vorstand der Bayerischen Börsen AG berufen.

Career-Women.org: Frau Dr. Bortenlänger, sieht man sich Ihren Bildungs- und Berufsweg an, scheint dieser absolut geradlinig zu sein. Sie haben aber einmal gesagt, dass Sie Ihrem Sohn geraten haben einen Weg zu gehen, der  alle möglichen Richtungen offen läßt. Wie passt das zusammen?

Christine Bortenlänger: So geradlinig, wie es den Anschein macht, verlief mein Berufsweg gar nicht: Ich wollte eigentlich gerne Bäuerin werden oder Medizin studieren, entschloss mich dann aber – nicht zuletzt aufgrund der Geburt meines Sohnes – BWL zu studieren, wie die meisten meiner Freunde. Dann habe ich das Studium allerdings straff durchgezogen, denn wenn man sich für etwas entschieden hat, sollte man es auch umsetzen – das mache ich bis heute so und das ist sicher eine wichtige Basis meines Erfolges. Ich persönlich schätze es, wenn man eine Ausbildung anstrebt, die einem mehrere Optionen offen lässt, das war meine Intention mit der Empfehlung. Allerdings weiß mein Sohn bereits heute ziemlich genau, in welche Richtung er sich entwickeln will.

Career-Women.org: Als Sie Geschäftsführerin wurden, waren Sie sehr jung, eine Frau und Mutter – welche Vorurteile oder Probleme sind Ihnen aufgrund dessen begegnet?

Christine Bortenlänger: Ich wurde damals wegen meiner Promotion und des damit verbundenen Fachwissens an die Börse berufen und dann zur Geschäftsführerin befördert. Vorurteile aufgrund der Tatsache, dass ich Frau und Mutter war, habe ich eher weniger erfahren. Für mich war die Herausforderung, so jung Mitarbeiter zu führen. Da hieß es, überzeugt selbst mit anzupacken und auch manchmal Charme einzusetzen. Geholfen hat mir mein eigener Lebensweg. Weil ich studierte und gleichzeitig Mutter war, lernte ich früh, mich sehr gut zu organisieren. Außerdem konnte ich so sehr jung eine Menge Lebenserfahrung sammeln. Beides kam mir an der Börse sehr gelegen.

Career-Women.org: Welche Stärken zeichnen Sie aus? Haben Sie überhaupt Schwächen?

Christine Bortenlänger: Meine Stärken liegen sicherlich in den Bereichen Kommunikation und Networking, strategisches Denken und Begeisterungsfähigkeit, Flexibilität, rasche Entscheidungsfindung und der Blick auf das Wesentliche. Wir müssen in sich ständig verändernden Märkten rasch handeln können, dafür bringe ich, so denke ich, die wesentlichen Voraussetzungen mit. Zu meinen Schwächen zählt vielleicht manchmal die Ungeduld, wenn Dinge nicht so laufen und vor allem nicht so schnell laufen, wie ich mir das vorstelle.

Career-Women.org: „Erfolg im Beruf und auf dem Golfplatz ist nicht planbar. Je mehr man ihn unbedingt möchte, desto weniger gelingt er“, so Ihre Aussage mit Handicap 36. Welches Handicap haben Sie nun und welche Entwicklung könnten Sie sich beruflich noch vorstellen?

Christine Bortenlänger: Mein Handicap konnte ich verbessern, denn auch Beharrlichkeit zählt wohl zu meinen Stärken! Es liegt derzeit bei 24, mein Ziel ist 18. Beruflich bin ich gespannt auf die nächsten Jahre an der Börse, denn die Finanzmärkte ändern sich kontinuierlich und wir uns mit ihnen. Das bleibt eine spannende Herausforderung, die ich gerne auch in Zukunft annehme.

Career-Women.org: Wie könnte Ihrer Meinung nach das Erfolgsrezept für junge Frauen lauten, die das Ziel haben, eine erfolgreiche Führungskraft zu werden?

Christine Bortenlänger: Das eine und einzig wahre Erfolgsrezept gibt es nicht. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass man flexibel sein muss, Chancen dann packen, wenn sie sich ergeben und zugreifen muss. Das hört sich vielleicht trivial an, ist aber im wirklichen Leben nicht immer einfach, durchzuführen und vor allem nicht zu planen. Das wichtigste ist jedoch – und da plädiere ich an die jungen Frauen – sie müssen sich den Job zutrauen, das nötige Selbstvertrauen mitbringen und Spaß haben an den Aufgaben. Dann werden sie ihr Umfeld überzeugen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begeistern. So entsteht gemeinsamer Erfolg – die Basis für eine Karriere.