Was bewegt Menschen dazu, ihre Gesundheitsdaten der Forschung zu spenden?

Studie der Uni Witten/Herdecke zeigt, dass Personen, die ihre sportlichen Aktivitäten digital messen, weniger selbstzentriert und egoistisch sind als erwartet

75 Prozent der deutschen Smartphone-Nutzerinnen und Nutzer haben frei verfügbare Gesundheits- und Fitness-Apps installiert (Bitkom-Umfrage 2020). In erster Linie sollen sie zur Verbesserung ihrer Gesundheit dienen, doch die dabei generierten Daten sind gleichzeitig von besonderem Wert für die Forschung. Als Längsschnittdaten können sie Anhaltspunkte für die Entwicklung besserer und neuer Medikamente, die schnellere Diagnose seltener Erkrankungen oder die Behandlung chronischer Krankheiten liefern.

Dafür müssen diese Daten jedoch von Nutzerinnen und Nutzern für die Forschung freiwillig zur Verfügung gestellt werden. In vielen Applikationen existiert diese Möglichkeit nicht; sogenannte Datenspende-Apps müssen zusätzlich installiert und Schnittstellen eingerichtet werden – wenig nutzerfreundlich. „Wir haben uns daher die Frage gestellt: Gibt es einen attraktiven Gegenwert außer Geld, der Personen, die ihre gesundheitsrelevanten Daten selbst tracken, dazu bewegen könnte, diese für die Forschung zu spenden?“, fasst Dr. Katharina Pilgrim die Fragestellung des Forschungsvorhabens zusammen, das im Rahmen des ATLAS Projektes an der Universität Witten/Herdecke durchgeführt wurde.

Freiwillige Datenspende für die Forschung – ein Experiment

„Wir haben ein digitales Experiment durchgeführt und 1.000 deutsche Health Self-Tracker gefragt, ob sie ihre Daten für die Forschung spenden würden. Den Befragten wurde teilweise ein Gegenwert für die Spende in Aussicht gestellt und teilweise nicht,“ erklärt Koautorin und ATLAS-Projektleiterin Prof. Sabine Bohnet-Joschko. Dabei nutzen die Wissenschaftlerinnen Motive, die aus früheren Studien zu Health Self-Trackern bekannt waren: Diese hatten vor allem egoistische Gründe identifiziert, etwa den Aufbau von Expertise zum eigenen Körper oder über eine Krankheit. Als erster egoistischer Gegenwert wurden daher Fachinformationen zur weiteren Wissensgenerierung in Aussicht gestellt. Ebenfalls bekannt ist, dass Personen ihre Daten teilen, um Anerkennung zu erhalten oder einer Gruppe zugeordnet werden möchten. Diese beiden Gegenwerte wurden ebenfalls in dem Experiment als Gegenleistung zur Spende der getrackten Daten ausgelobt.

Doch diese für Health Self-Tracker bekannten Motive hatten überraschenderweise keinen Einfluss auf die Bereitschaft zur Datenspende für die Forschung, die bei durchschnittlich 41 Prozent lag. Dagegen konnte die Aussicht auf das Leisten eines Beitrages für die Gemeinschaft die Spendenbereitschaft unter Männern signifikant um fast 16 Prozent erhöhen. Frauen blieben von diesem Motivator allerdings unbeeindruckt, sie zeigten auch in dieser Studie Zurückhaltung beim Teilen sensibler persönlicher Informationen.

Die Wissenschaftlerinnen ziehen folgende Erkenntnis aus ihrer Studie: Prosoziale Motive fördern die Bereitschaft zur digitalen Gesundheitsdatenspende unter Health Self-Trackern und sollten bei einer Kampagnengestaltung berücksichtigt werden, um die Chance zu erhöhen, Zugang zu persönlichen gesundheitsrelevanten Daten für die Forschung zu erhalten.

Die Studie wurde nun im Journal of Medical Internet Research (IF 5.43) veröffentlicht und ist unter https://www.jmir.org/2022/2/e31363 kostenfrei abrufbar.

Zu den Autorinnen:
ATLAS Projektleiterin Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko ist Inhaberin des Lehrstuhls für Management und Innovation im Gesundheitswesen der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Universität Witten/Herdecke und forscht an der Schnittstelle zwischen Ökonomie und Gesundheitsversorgung.
Dr. Katharina Pilgrim promovierte zum Thema „Gesundheitskommunikation durch Influencer“ am Lehrstuhl für Management und Innovation im Gesundheitswesen der Universität Witten/Herdecke und bekleidet als Postdoc die Rolle der ATLAS Projektkoordinatorin.