Ethikrat – Chancen für die Pflege durch verantwortliche Nutzung von Robotik

In der veröffentlichten Stellungnahme „Robotik für gute Pflege“
wägt der Deutsche Ethikrat die mit Robotern verbundenen Chancen und
Risiken für die Pflege ab. Er gelangt zu dem Urteil, dass sie einen
wertvollen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität pflegebedürftiger
Menschen und der Arbeitsqualität im Pflegebereich leisten können. Dies
setzt jedoch voraus, dass der Einsatz von Robotertechnik
zwischenmenschliche Beziehungen nicht ersetzt, dass er nicht gegen den
Willen von Gepflegten und Pflegenden oder zur bloßen Effizienzmaximierung
erfolgt und dass die Betroffenen in die Entwicklung der Techniken
einbezogen werden.

Die Erforschung und Entwicklung robotischer Anwendungen sowohl für die
häusliche Pflege als auch für Pflegeeinrichtungen wird seit einigen Jahren
mit erheblichen öffentlichen Mitteln gefördert. Zur Begründung wird von
politischer Seite auf die drängenden infrastrukturellen, personellen und
finanziellen Probleme verwiesen, die sich angesichts des Fachkräftemangels
in der Pflege bei gleichzeitig wachsender Zahl pflege- und
assistenzbedürftiger Menschen stellen. Der Deutsche Ethikrat erkennt zwar
den möglichen Nutzen der Robotik für den gesamten Pflegebereich an, sieht
diesen jedoch weniger in der Beseitigung von Personalengpässen oder
Pflegenotstand als vielmehr in ihrem Potenzial zur Förderung guter Pflege.
Für die Gepflegten liegt dieses Potenzial nicht nur in der Erhaltung von
Selbstständigkeit sowie von körperlichen und kognitiven Fähigkeiten,
sondern auch in deren möglicher Rückgewinnung durch rehabilitative
Maßnahmen.

Assistenzroboter, die Pflegende und Gepflegte bei alltäglichen
Verrichtungen unterstützen, entlasten Pflegekräfte bei körperlich
anstrengenden Tätigkeiten oder können die Angewiesenheit auf stationäre
Pflege bei Menschen mit steigendem Pflegebedarf hinauszögern. Auch
robotische Monitoring-Techniken sollen selbstbestimmtes Leben im
heimischen Umfeld unterstützen, indem sie die Überwachung von
Körperfunktionen aus der Ferne ermöglichen oder rasche Hilfe im Notfall
gewährleisten. Sogenannte Begleitroboter, die z.B. in Gestalt
verschiedener Tiere angeboten werden, assistieren bei sozialen
Interaktionen oder dienen selbst als Interaktionspartner und erfüllen so
vor allem kommunikative und emotionale Bedürfnisse.

Es wäre aus ethischer Sicht jedoch äußerst fragwürdig, wenn
pflegebedürftige Menschen soziale und emotionale Bedürfnisse zukünftig
überwiegend im Umgang mit Begleitrobotern stillen würden, die Gefühle
lediglich simulieren. Auch im Fall anderer Arten von Robotern könnte sich
das unabhängige Leben in vertrauter Umgebung durchaus als ein Leben in
sozialer Isolation erweisen. Aufseiten der Pflegekräfte sollten Ängste vor
Überforderung durch die anspruchsvolle Bedienung komplizierter
Robotertechnik ernstgenommen werden. Anstatt Raum für
beziehungsorientierte Pflege zu schaffen, könnte die Unterstützung durch
Robotik auch eine noch höhere Arbeitsdichte nach sich ziehen. Bezüglich
des Gesundheitssystems gibt es die Sorge, dass die hohen Kosten für die
Einführung von robotischen Assistenzsystemen zu Mittelkürzungen im
Personalwesen oder anderen wichtigen Pflegebereichen führen könnten.

Der Deutsche Ethikrat untersucht diese und weitere Befürchtungen und
erkennt ihre Berechtigung an, bleibt dabei jedoch zuversichtlich, dass
Robotertechniken für die Pflege von großem Nutzen sein können. Seine
Realisierung setzt die verantwortliche Gestaltung von Entwicklungs- und
Implementierungsprozessen voraus, die der Rat mit einer Reihe von
Empfehlungen unterstützt, welche sowohl auf individueller als auch auf
institutioneller und politisch-systemischer Ebene ansetzen. Gefordert wird
beispielsweise die angemessene Einbeziehung sowohl von Menschen mit
Assistenz- oder Pflegebedarf als auch von (professionell) Pflegenden in
die Entwicklung robotischer Systeme. Sicherheitsstandards und
Haftungsregelungen sollten überprüft und gegebenenfalls angepasst werden,
um einer Erosion von Verantwortung im Umgang mit Robotertechniken
vorzubeugen. Das Wohl der zu pflegenden Person in ihrer Individualität
sollte stets im Zentrum der Pflege stehen, auch wenn der Einsatz von
Technik die Standardisierung und Schematisierung von Prozessen
erforderlich macht. Empfohlen wird weiterhin, Pflegekräfte sowohl in der
Ausbildung als auch in der Fort- und Weiterbildung gezielt im Umgang mit
Robotertechniken zu schulen, wobei auch ethische Aspekte berücksichtigt
werden sollten.

Weitere Informationen zur aktuellen Stellungnahme sowie zu seiner
Jahrestagung 2019, mit der der Ethikrat seine Befassung mit dem Thema
vorbereitet hat, unter www.ethikrat.org.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Prof. Dr. phil. Dr. h. c. Dipl.-Psych. Andreas Kruse
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Institut für Gerontologie
T 06221 - 54 81 80
E andreas.kruse@gero.uni-heidelberg.de