Angela Merkel: „Gleichberechtigung bleibt große Aufgabe“

Podcast von Angela Merkel zum Weltfrauentag

Transkript Podcast „Weltfrauentag“ 07.03.2020

Einleitung: Morgen, am 8. März, wird der Weltfrauentag begangen – überall auf der Welt von Frauen, die für ihre Rechte kämpfen. Da gibt es noch viel zu tun! Ursprünglich wurde der Weltfrauentag eingeführt, weil Frauen für das Wahlrecht gekämpft haben. Das ist in Deutschland glücklicherweise seit mehr als 100 Jahren möglich. Und es gilt auch: Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Aber diese Gleichberechtigung durchzusetzen, das bleibt nach wie vor eine große Aufgabe. Obwohl wir auch schon einiges erreicht haben.
Frage: Ist Gleichstellung in Deutschland im Jahr 2020 überhaupt noch ein Thema? Ja, das Thema Gleichstellung und auch das Thema Gleichberechtigung, das sind Themen, die auch in Deutschland noch eine wichtige Rolle spielen. Sie reichen im Grunde in alle Lebens- und Gesellschaftsbereiche hinein. Fortschritte erzielt haben wir zum Beispiel in dem Bereich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Heute können 76 Prozent der Frauen erwerbstätig sein in den entsprechenden Altersstufen. Das ist deutlich mehr als vor einigen Jahren, aber immer noch weniger als von Männern im gleichen Alter. Dort sind es 84 Prozent. Wie konnten wir das erreichen? Insbesondere dadurch, dass wir den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz haben, den Rechtsanspruch für die unter Dreijährigen bei der Betreuung. Und dass wir jetzt auch darauf hinarbeiten, bis 2025 auch einen Rechtsanspruch auf Betreuung nach der Grundschule zu haben. Auch das ist wichtig. Das Elterngeld hat dabei einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet und auch die sogenannte Brücken-Teilzeit, das heißt der Rechtsanspruch, auch nach einer Teilzeit-Phase wieder in die Vollzeit zurückzukehren. Aber wir haben noch vieles zu tun, insbesondere wenn es um Frauen im Wirtschaftsbereich geht, in den führenden Positionen. Hier ist einiges an Fortschritt erreicht worden, zum Beispiel dadurch, dass wir eine rechtliche Regelung für große Unternehmen eingeführt haben, was die Besetzung der Aufsichtsräte anbelangt. Da sind heute nach dieser gesetzlichen Regelung nun endlich ein Drittel der Posten mit Frauen besetzt. Wir haben aber noch großen Nachholbedarf bei kleineren und mittleren Unternehmen. Und wir wollen als Bund Vorbild sein und bis 2025 in allen Gremien eine paritätische Besetzung von Männern und Frauen haben. Es ist aber auch noch viel zu tun in den politischen Bereichen bei den Abgeordneten, bei Oberbürgermeistern, bei Landräten. Das heißt, Frauen müssen ermutigt werden, und es müssen die Bedingungen geschaffen werden, dass Frauen sich auch wirklich gleichermaßen in die Gesellschaft einbringen können. Und es gibt nach wie vor schwierigste Themen, zum Beispiel das Thema der Gewalt gegen Frauen. Auch hier ist der Bund aktiv geworden in den letzten Jahren, zusammen mit den Ländern und den Kommunen. Aber auch auf diesem Gebiet bleibt noch vieles zu tun.

Frage: Ist Gleichstellung auch ein Thema für Männer?

Das Thema Gleichstellung ist ein Thema für Frauen, aber eben auch für Männer. Denn wir können die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen im Erwerbsleben nur erreichen, wenn auch Männer sich stärker einbringen in die Familienarbeit, in die Sorgearbeit, in die Pflege und auch in die Erziehung der Kinder. Hier hat das Thema Elterngeld sehr geholfen. 2008 haben nur 21 Prozent der Väter Elterngeld genommen, heute sind es schon 36 Prozent. Und ich kann alle Väter nur ermutigen, diesen Lebensabschnitt auch einmal wahrzunehmen, sich
der Erziehung der Kinder zu widmen. Wir haben allerdings immer noch die Situation, dass es
für Männer schwieriger ist zu begründen, warum auch sie sich in die Familienarbeit
einbringen. Und es muss ganz selbstverständlich werden, dass Männer, die Familienarbeit
leisten, die gleichen Karrierechancen haben wie andere, die dies vielleicht nicht in diesem
Umfang tun. Das heißt also, unsere Gesellschaft kann nur eine Gesellschaft der
Gleichstellung und der Gleichberechtigung sein, wenn alle Geschlechter sich in die
verschiedenen Bereiche der gesellschaftlichen Arbeit so einbringen, dass ihnen daraus in
einem anderen Feld kein Nachteil erwächst. Da gibt es noch einiges zu tun. Aber auch gerade beim Verständnis von Männern bezüglich der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hat sich in
den letzten Jahren viel, ich will fast sagen Revolutionäres getan. Auf diesem Weg müssen wir
weiter vorangehen.