Michelle Bachelet erneut zur Präsidentin gewählt

DIE WELT…. Es war klar, dass Michelle Bachelet in einer Wiederwahl gewinnen würde: Die Sympathiewerte der 62 Jahre alten Kinderärztin, die Chile von 2006 bis 2010 regierte, blieben immer durchgehend hoch. Dabei präsentierte die Sozialistin in ihrer Amtszeit weder besondere Reformvorhaben noch überzeugte ihr Krisenmanagement beim Erdbeben Anfang März 2010. Von Hildegard Stausberg

Aber die Chilenen mögen diese Frau einfach – mit ihrer mütterlichen Art, ihrer entwaffnenden Liebenswürdigkeit und ihrer ruhigen Sachlichkeit. Jetzt wurde Bachelet im zweiten Wahlgang wiedergewählt, am 11. März beginnt ihre neue Amtszeit. Sie wird schwieriger werden als die erste. Da ist ihr neues Regierungsbündnis Neue Mehrheit, dem nun auch die Kommunisten angehören. In den vier erfolgreichen Mitte-links Regierungen der „Concertación“ war das nie der Fall. Die Kommunisten werden Bachelet mit immer neuen Forderungen vor sich her treiben.

Dabei ist die Reformagenda schon jetzt groß. Ein kostenloses Erziehungssystem steht an erster Stelle, gefolgt von einer tief greifenden Verfassungsreform. Dafür würde aber die Zustimmung der konservativen Opposition nötig. Der Wirtschaft geht es nach Jahren unternehmerischen Aufbruchs unter dem Milliardär Piñera blendend. Die Staatskasse ist prall gefüllt, Geld für Reformen ist da: Bachelet könnte also gestaltend verteilen und damit soziale Ungleichheiten weiter einebnen. Aber sie muss dem Druck von links widerstehen, den Rahmen des liberalen Wirtschaftsmodells aufzugeben. Nur dieses hat Chiles Aufstieg zum regionalen Vorzeigestaat ermöglicht und somit auch – vernünftig dosierte – Reformen finanzierbar gemacht.

Chiles neue Präsidentin will „tief greifenden Wandel“

Chile hat eine neue, alte Präsidentin: Die Sozialistin Michelle Bachelet genießt seit ihrer ersten Amtszeit von 2006 bis 2011 hohe Popularität. Jetzt wirbt sie für einen gesellschaftlichen Wandel.

Michelle Bachelet ist zum zweiten Mal zur chilenischen Staatspräsidentin gewählt worden. In einer Stichwahl erhielt die 62 Jahre alte Ärztin mehr als 62 Prozent der Stimmen. Auf die Kandidatin des konservativen Parteibündnisses Evelyn Matthei entfielen 37 Prozent der Stimmen. Diese hatte im ersten Wahlgang nur 25,01 Prozent erreicht. Damals hatte Frau Bachelet mit 46,67 Prozent die absolute Mehrheit verfehlt und musste so in die Stichwahl. Frau Matthei räumte ihre Niederlage ein. Der konservative Präsident Sebastián Piñera telefonierte mit Bachelet, um ihr zu gratulieren.

Frau Bachelet hat als ihr wichtigstes Ziel für die zweite Amtsperiode einen „tief greifenden gesellschaftlichen Wandel“ versprochen. Dessen Ziel müsse „der Abbau der Ungleichheit und mehr soziale Gerechtigkeit sein“. Chile brauche eine wirtschaftliche Entwicklung, „die endlich allen zugutekommt und nicht nur einigen wenigen“.

Der Wahlsieg von Michelle Bachelet stand eigentlich schon in dem Moment fest, also sie ihre Kandidatur bekannt gemacht hatte. Denn alle Meinungsumfragen waren sich in einem Punkte einig: Ihre Beliebtheit war nach dem Ende ihrer ersten Regierungszeit von 2006 bis Anfang 2011 immer konstant hoch geblieben. Das war auch der Grund, warum andere Kandidaten der Mitte-links-Regierungskoalition „Concertación“, zum Beispiel aus dem Kreis der chilenischen Christdemokraten, bei der internen Auswahl der Kandidaten keine Chance hatten.

Der zweite Wahlgang kam unerwartet

Zu den Wahlen trat Frau Bachelet diesmal an mit dem um die Kommunisten erweiterten Parteienbündnis Neue Mehrheit (Nueva Mayoria), also eine Volksfront. Bei den früheren Wahlsiegen der Concertación war die Kommunistische Partei Chiles (PCC) bis dahin immer erst im zweiten Wahlgang dazugestoßen. Im ersten war sie immer mit einem eigenen Kandidaten angetreten, sodass sichtbar wurde, dass die Präsidenten der Concertación ihre Siege der Unterstützung durch die Kommunisten verdankten.

Allerdings hatte Frau Bachelet es dieses Mal trotz ihres Volksfrontbündnisses dennoch nicht im ersten Wahlgang geschafft, was eigentlich von vielen politischen Beobachtern erwartet worden war. Frau Bachelet konnte auch davon profitieren, dass sich die Regierung unter Präsident Piñera nicht zu einer tief greifenden Erziehungsreform durchringen konnte. Dabei hat keine Regierung in Chile jemals ein so umfängliches Stipendienprogramm aufgelegt wie die von Piñera. Bachelet wiederum will in Chile ein komplett gebührenfreies Bildungssystem durchsetzen – von der Volksschule bis zur Universität.

Deshalb hatten auch die Präsidenten der meisten Studentenvereinigungen offen für Bachelet Partei ergriffen. Ihre bekanntesten Anführer wurden bei den Wahlen Mitte November ins Abgeordnetenhaus gewählt, so Karol Cariola, Giorgio Jackson und Gabriel Boric, sowie Camila Vallejos von der Kommunistischen Partei.

Die Wirtschaft zeigt sich skeptisch

Frau Matthei hatte hingegen nur die Schaffung von 1000 neuer öffentlicher Schulen versprochen. Auch in anderen Bereichen gab es gravierende Unterschiede bei den Programmen: Frau Bachelet ist eine Befürworterin der Legalisierung von Marihuana, Frau Matthei lehnte das ab, Frau Bachelet akzeptiert Abtreibung, Frau Matthei nicht, Frau Bachelet ist für Steuererhöhungen, Frau Matthei war dagegen.

In Kreisen der chilenischen Wirtschaft sieht man vor allem die Steuerpläne der neuen Regierung Bachelet skeptisch. Diese hat angekündigt, dass sie die Steuer auf Unternehmensgewinne um 20 auf 25 Prozent anheben wolle. Das schade vor allem den mittleren und kleinen Unternehmen, hatte die unterlegene Kandidatin Evelyn Mattei während des Wahlkampfes immer wieder gewarnt.

Frau Bachelet hatte angekündigt, dass sie die Verfassung ändern wolle, die aus dem Jahr 1980 stammt, also der Zeit von Pinochet. Er ließ sie allerdings in einem Plebiszit bestätigen. Die neuen Mehrheitsverhältnisse in den beiden Kammern des Kongresses machen es der neuen Regierung nicht möglich, Verfassungsänderung zu realisieren. Sie muss dafür die Zustimmung der Opposition suchen, eine eigene Mehrheit dafür hat sie nicht.

Die neue Regierung übernimmt wirtschaftlich geordnete Verhältnisse. Seit 2010 lag das Wachstum des Bruttoinlandproduktes immer deutlich über 5 Prozent, in diesem Jahr beträgt es 4,4 Prozent. Absolut spektakulär hat sich die Arbeitslosigkeit entwickelt: Sie ist von 8 auf 5,7 Prozent gesunken, der tiefste Stand, der jemals gemessen wurde. Deutlich verbessert hat sich auch das Pro-Kopf-Einkommen, das mit 14.000 Euro um gut die Hälfte höher liegt als in den meisten anderen Ländern der Region. Von der Lage der öffentlichen Finanzen können andere Länder nur träumen: Das Defizit ist so gering, dass die Schuldenquote bei nur 13 Prozent liegt.

Quelle: welt.de