Nach Geschlechtern getrennte Schulbildung – ist das noch zeitgemäß?

Es gibt zwar noch immer reine Mädchen- und Jungenschulen in Deutschland, allerdings sterben sie nach und nach aus. Insgesamt finden sich bei uns rund 38.000 allgemeinbildende Schulen, nur noch 163 davon sind allein dem weiblichen Geschlecht vorbehalten. Vor allem in Süddeutschland bevorzugen noch einige die geschlechtsspezifische Erziehung. Lehrinstitute nur für heranwachsende Männer sind noch seltener.

In England nimmt die Zahl der gemischten Schulen gleichfalls zu. Zum einen werden immer mehr Bildungsstätten, die bisher nur Mädchen oder Jungen zur Verfügung standen, zusammengelegt. Zum anderen kommt es zu vermehrten Zulassungen von Kindern des jeweils anderen Geschlechts an Schulen, die sich bisher der Monoedukation verschrieben hatten. Am häufigsten trifft man heute in England noch auf koedukative Privatschulen und Internate.

Dazu gehört die weltweit prestigeträchtigste Jungenschule: das Eton College. Insbesondere ist es für seinen erstklassigen Unterricht, beste Einrichtungen sowie das große Spektrum an außerschulischen, hochqualitativen Aktivitäten bekannt. Wer unter 1.000 Bewerbern einen der 250 Plätze ergattern kann, kann stolz sein. Ein Kind auf das Eton College mit seinem exzellenten Ruf schicken zu können, steht in England über den Gedanken an eine gemeinsame Erziehung der Geschlechter.

Tendenz liegt auf Abschaffung

Das englische Mädcheninternat Wycombe Abbey gilt als das „Eton für das weibliche Geschlecht“. Ein Platz dort ist ebenfalls sehr begehrt, obwohl die getrennte Schulbildung seit Jahrzehnten heftig diskutiert wird.

Wissenschaftlern fehlen aussagekräftige Belege für das Für und Wider der Monoedukation. Jedoch bezog das amerikanische Wissenschaftsmagazin Science, gestützt auf die Zusammenfassung der Debatte, vor einigen Jahren eine ungewohnt deutliche Stellung: „Wir glauben, dass die nach Geschlechtern getrennte Erziehung schwer verfehlt ist und häufig durch schwache, selektive oder missgedeutete wissenschaftliche Behauptungen gerechtfertigt wird.“

Auch in Deutschland tendieren zahlreiche Akademiker zur Ansicht der Kollegen in Amerika. Die Erziehungswissenschaftlerin Hannelore Faulstich-Wieland teilte mit, dass sie in der wissenschaftlichen Literatur keine Belege für bessere Leistungen in reinen Mädchen- oder Jungenklassen findet. Sie sieht getrennten Unterricht als eine „Dramatisierung von Geschlechtern“ an. Ihrer Meinung nach unterschlägt er die Tatsache, dass vor allem psychische und soziale Faktoren beim Lernerfolg eine Rolle spielen.

In den Reihen der deutschen Politiker gibt es ebenfalls wenig Zuspruch für die Monoedukation. Es ist von keiner politisch-gewichtigen Partei bekannt, dass sie zu deren Befürwortern gehört. Ganz im Gegenteil: Widerstand gegen diese Schulform wird oft geleistet. So musste die Schulleiterin Jutta Reimann des staatlichen Mädchengymnasiums in Essen-Borbeck, die mit sinkenden Anmeldezahlen zu kämpfen hatte, die Stadt von der Sinnhaftigkeit einer Mädchenschule überzeugen.

Erhöhte Karrierechancen für Schüler von Mädchenschulen?

Befürworter monoedukativer Schulen bringen häufig das Argument auf den Tisch, dass die Karrierechancen von Frauen nach einer getrennten Schullaufbahn höher seien. Sie stützen sich beispielsweise auf das Ergebnis einer Untersuchung der Geschlechterforscherin Maria Kreienbaum aus den 90er Jahren an eben jenem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen. Sie erbrachte folgendes Ergebnis: Die Schüler der Mädchenschule waren im Vergleich zu den Absolventinnen eines benachbarten koedukativen Lehrinstituts aufstiegsorientierter. Obwohl sie durchschnittlich mehr Kinder bekamen, arbeiteten sie zudem häufiger in Vollzeit. Darüber hinaus lag die Studienquote höher, weiterhin wiesen doppelt so viele später einen Doktortitel auf.

Die Ansichten ehemaliger Besucher von Mädchenschulen über die These, dass diese karrierefördernd seien, gehen ebenfalls auseinander. Eine Befragung von Ex-Schülerinnen des katholischen Sankt-Dominikus-Gymnasiums in Karlsruhe und des städtischen Sophie-Scholl-Gymnasiums in München ergab folgendes Resultat: 27 Frauen hatten entweder keine Meinung oder sahen keinen monokausalen Zusammenhang. 22 Teilnehmer antworteten uneingeschränkt mit ja, sieben mit nein.

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