Warum Nettigkeit nicht immer zum Ziel führt

In nahezu jedem größeren Betrieb gibt es diese eine Kollegin, die immer nett und freundlich ist und von allen geschätzt wird. Es ist die Hausmutter des Unternehmens, diejenige, die für jeden ein offenes Wort hat und sich mehr in der Teeküche aufhält als an ihrem eigenen Arbeitsplatz. Aber niemand kritisiert sie dafür, denn sie ist schließlich die Nette. Ihre Karriere? Welche Karriere!

Von Enkelkindern und Kuchen

Sie ist immer perfekt geschminkt, die Lippen leuchten, die Augen strahlen. Es gibt keine Mittagspause, in der die „Hausmutter“ des Unternehmens nicht irgendwo zu sehen oder zu hören ist. Meist erzählt sei von ihren Enkelkindern oder den eigenen Kindern, von den neusten Errungenschaften ihres Mannes oder sie hört mit bedächtigem Kopfnicken und bedauerndem „Oh“ und „Ah“ den Klagen ihrer Kollegen über die harte Arbeit zu. Arbeit, von der sie ruhig ein bisschen übernehmen könnte, oder?

Doch wütend auf die Hausmutter sein? Fast unmöglich. Schließlich beglückt sie das Büro mindestens zweimal pro Monat mit selbstgebackenem Kuchen. Weil es ihr so viel Freude bereitet, wie sie sagt. Und was hat sie auch sonst vom Leben? Der Mann auf Montage, nur am Wochenende zu Hause. Die Kinder selbst außer Haus. Ihre Abende verbringt sie damit ein paar Runden an Online Slots zu drehen und nebenbei ein paar Maschen zu häkeln. Doch warum ist sie da? Was erhofft sie sich von ihrem Alltag im Büro?

Arbeit ohne Ziele

Auch wenn es im Zeitalter karrierebewusster Frauen nur schwer vorstellbar ist, gibt es tatsächlich Arbeitnehmerinnen, die einfach ohne Ziel zur Arbeit gehen. Sie erledigen ihre Aufgaben, mehr oder weniger, und haben nie die Absicht die Karriereleiter eine Stufe hinaufzusteigen. Sie sind zufrieden mit dem was sie haben. Gehaltserhöhungen? Das ist was für die anderen. Der tägliche Kummer der Kollegen ist viel mehr das Metier dieses Kollegentypus und es scheint ein bisschen so, als wäre die Hausmutter eher ein verkappter Seelsorger als eine gleichwerte Ansprechpartnerin im Büro.

Doch wie geht man selbst damit um, wenn man zwar professionell höflich ist, aber kein Interesse an den schulischen Fortschritten von Hausmuttis Enkelkindern hat? Welche Strategie ist die richtige, denn verärgern möchte man die „immer nette“ doch eigentlich auch nicht?

Professionelle Distanz wahren

Auch wenn es schwerfällt, die beste Art mit dem vor Nettigkeit sprühenden Büroherzchen umzugehen ist Professionalität. Private Gespräche nicht anbieten, aber auch nicht suchen. Und sich ruhig einmal das Recht rausnehmen, auf eine Mittagspause ohne plappernde Kontakte zu bestehen. Daran ist nichts böses und es gibt genug andere Kollegen im Büro, die sich über Gesellschaft sicher freuen.

Auch wenn man sich damit möglicherweise nicht zum erklärten Liebling der besorgten Kollegin macht, das persönliche Wohlbefinden wird auf jeden Fall gesteigert. Und letztlich kommt es genau darauf an. Und was soll schon passieren? Im schlimmsten Fall sorgt sich das Büro-Hausmütterchen und schlägt zu Hause für sich Begriffe wie „Burnout“ oder „Depression“ nach. Denn natürlich kann sie nicht verstehen, warum andere Kollegen einfach in der Pause alleine durch den Park laufen, anstatt bei selbstgebackenem Marmorkuchen und mit frisch gekochtem Kaffee in der Teeküche zu klüngeln.