Chefin legt Tempo vor

„Karriere muss man nicht um jeden Preis machen“, sagt die erste weibliche Geschäftsführerin bei Karstadt Köln, Ursula Vierkötter. Die Diplom-Kauffrau ist eine, die sich nicht verbiegen läßt und trotzdem sehr schnell Karriere gemacht hat. Sie hat klare Vorstellungen, von dem, was sie will. Sie liebt schnelle Sportarten, ist risikobereit und Vollblut-Verkäuferin.

Die Holding der Karstadt-Warenhäuser heißt seit Mitte 2007 nicht mehr Karstadt Quelle sondern Arcandor – ein Kunstwort, das laut Konzernchef Thomas Middelhoff Mut, Tatkraft und Zukunftsorientierung signalisiert. Das hat er auch gebraucht, als er 2004 antrat, den Konzern zusammen mit Thomas Cook, Primondo und Karstadt wieder flott zu machen. Inzwischen ist in den verbliebenen Karstadt-Warenhäusern Ruhe eingekehrt und die Mitarbeiter können wieder durchatmen. Dass das so bleibt, das ist das Ziel von Ursula Vierkötter. Seit Herbst 2006 steuert sie als Geschäftsführerin das Warenhaus in der Breitestrasse. Vierkötter studierte an der Kölner Uni Betriebswirtschaft und machte 1991 ihr Diplom als Kauffrau.

business-on.de: Nach dem Examen entschieden Sie sich als frisch gebackene Diplom-Kauffrau für eine Ausbildung zur Geschäftsführerin bei Karstadt. Salopp könnte man sagen, Ihre Karriere begann in der Zooabteilung des Warenhauses in Köln.

Ursula Vierkötter: Stimmt. Ich kam stolz wie Oskar von der Uni und reinigte dann erst mal Käfige, verkaufte Lebend-Maden an die Angler, usw.. Meine Kommilitonen waren schon ein bisschen erstaunt und zeigten wenig Verständnis. Insgesamt war es keine schlimme Zeit, da die Verkaufstätigkeit mir schon immer viel Spass gemacht hatte. Die Zeit verging auch schnell und nach acht Monaten war ich bereits Geschäftsführerin in Peine. Danach folgte die Tippeltour durch die kleinen Karstadt-Häuser. Das gehört einfach dazu. Später wurde ich Bereichsleiterin in der Zentrale in Essen. Über Mülheim kam ich dann im Oktober 2006 als Geschäftsführerin nach Köln.

business-on.de: Wie viele Kolleginnen gibt es bei Karstadt?

Ursula Vierkötter: Von 120 Filialen sind etwa 20 Frauen in leitender Position. Ein Grund für die geringe Quote ist auch, dass der Beruf sehr schwer mit einer Familie zu vereinbaren ist.

business-on.de: Karstadt-Köln hat sich in den letzten Jahren immer wieder ein Remake verpasst. Offensichtlich haben Sie jetzt frischen Wind ins Haus gebracht, was auch schon positiv von der Regionalpresse wahrgenommen wurde. Was machen Sie anders?

Umstrukturierung mit weiblicher Intuition

Ursula Vierkötter: Als erstes habe ich dem Haus ein Facelift verpasst, d.h. den Laden mal angestrichen, sauber gemacht und viele Bereiche, die für Frauen wichtig sind, neu strukturiert. Mein Motto war, wir müssen aus dem männlichen ein weibliches Haus machen. Und wer könnte das besser als eine Frau?

business-on.de: Was macht denn den weiblichen Unterschied konkret aus?

Ursula Vierkötter: Mit einer weibliche Brille sieht man anders. Beispielsweise, dass die Beleuchtung in der Umkleidekabine zu grell oder dass die Verkäuferin unpassend gekleidet ist. Wichtig ist auch, wie ein Kaufhaus insgesamt riecht.

business-on.de: Nach welchen Kriterien wird man als Geschäftsführerin für Karstadt-Köln ausgesucht?

Ursula Vierkötter: Ich wollte gern nach Köln zurück und habe auf dieses Ziel hingearbeitet. Voraussetzung war, dass man die Zentrale davon überzeugen konnte, dass die Fähigkeiten, die man mitbringt, gut für die Kölner Filiale sind. Und das muss man sich erst einmal erarbeiten.

business-on.de: Ihr größter Wettbewerber in Köln ist wahrscheinlich der Kaufhof. Worin unterscheidet sich Karstadt? Was machen Sie anders oder besser?

Ursula Vierkötter: Wir haben auch noch andere Wettbewerber. Dazu gehören die ganzen Einkaufscenter wie beispiesweise Dumont Carré, die Monolabels wie Esprit, Mexx, usw.. Im Vergleich zum Kaufhof sind wir David. Das hat den Vorteil, dass wir nicht so unübersichtlich sind wie der Kaufhof und dass wir in der Sortimentierung spezialisierter aufgestellt sind. Viele Kunden sagen, der Kaufhof ist uns zu gross, ihr seid familiärer. Ich meine, wir heben uns auch positiv vom Goliath ab, weil unsere Mitarbeiter netter sind. Und wir bieten vor allem Frauen ein attraktives Sortiment.

Modebewusste Frau als Zielgruppe

business-on.de: Welche Frau gehört zu Ihrer Zielgruppe?

Ursula Vierkötter: Die Kundin ab dreißig. Das heißt, die gut verdienende Frau, die das Besondere sucht, die eine gute Beratung erwartet, die gepflegt angezogen sein möchte und die sich auch mal zwischendurch etwas gönnt wie beispielsweise ein nettes Accessoire.

business-on.de: Gucci, Prada und Co. werden bei Karstadt nicht angeboten. Ist das eine strategische Entscheidung?

Ursula Vierkötter: Bei den Premiummarken sprechen wir von sechs Prozent der Bevölkerung, die sich das leisten kann. Deshalb gibt es bei Karstadt die Entscheidung, ein Sortiment unterhalb dieses Premiumsegments anzubieten. So nach dem Motto: Sieht so aus wie Gucci, kostet aber nur ein Drittel.

business-on.de: Welche Marke tragen Sie selbst am liebsten?

Ursula Vierkötter: Kein Kommentar. Wir führen ohnehin Teamkleidung ein. Das heisst, dass wir zukünftig alle mit schwarzen Hosenkostümen und schwarzen Kostümen ausgestattet sind. Die Teamkleidung wird eine unserer Eigenmarken sein: She, Adagio, Yorn, Joy oder Desiree.

business-on.de: Was machen Sie am liebsten in Ihrem Job?

Ursula Vierkötter: Verkaufen. Ich bin leidenschaftlich gern Verkäuferin. Schon im Studium arbeitete ich auf Messen als Propagandistin, usw. In der Zeit habe ich diesen Job lieben gelernt.

business-on.de: Was würden sie mir spontan verkaufen?

Ursula Vierkötter: Vielleicht einen neuen Lippenstift? Oder ein nettes Accessoire wie beispielsweise ein Armband oder eine Kette. Kunden sind eigentlich immer dankbar, wenn sie auf passendes zu ihrem Outfit aufmerksam gemacht werden.

business-on.de: Wie sieht es mit der Ausbildung des Verkaufspersonals aus? Gab es hier speziellen Nachholbedarf?

Ursula Vierkötter: Ich habe mehrere Verkaufsschulungen und Seminare auch für die Führungskräfte veranlasst. Wichtig ist doch, dass auch die Führungskräfte wissen, wie man richtig verkauft. Damit sie unseren Mitarbeitern Rückmeldung geben können. Körpersprache war auch dabei. Im wesentlichen handelt es sich dabei um ein Auffrischen, weil genau wie beim Sport, müssen die Mitarbeiter immer wieder trainieren, um gute Leistungen zu bringen.

business-on.de: Wurden Sie denn von den Mitarbeitern, die bis dato nur männliche Chefs gewohnt waren, gleich akzeptiert?

Vertrauen bei Mitarbeitern aufgebaut

Ursula Vierkötter: Ja. Dabei war wichtig, dass die Mitarbeiter im vergangenen Jahr gemerkt haben, dass sie sich auf mich verlassen können. Jeder weiss inzwischen, dass ich das, was ich sage, auch einhalte und zwar sowohl bei positiven wie auch weniger erfreulichen Dingen.

business-on.de: Welche besonderen Eigenschaften haben Ihnen dabei geholfen?

Ursula Vierkötter: Ganz wichtig ist, dass man authentisch ist und Menschen begeistern kann. Und das sind hier in Köln immerhin 400 Köpfe. Man muss das Geschäft lieben und das merken die Mitarbeiter. Andererseits muss man klare Ziele formulieren und diese dann auch nachhalten. Die Entscheidungen, die man trifft, müssen verkaufsbezogen, also auf den Kunden ausgerichtet sein.

business-on.de: Lernt man das oder hat man das?

Ursula Vierkötter: Das hat man. Aber der Weg ändert sich mit der Zeit. Am Anfang war ich blauäugiger und eben nicht nachhaltig. So nach dem Motto, gesagt getan. Das ändert sich aber schnell, wenn sie erst einmal paar Enttäuschungen erlebt haben. Wichtig ist, dass die Ziele und die Folgen bei Nichtbeachtung klar definiert sind. Bei uns im Haus gibt es beispielsweise die Anweisung, dass jeder Kunde zu begrüßen ist. Das hört sich lapidar an, ist aber essentiell. Das geht bei einem Mitarbeiter besser als beim anderen. Wir arbeiten daran.

business-on.de: Die Geschäftsführung eines so großen Hauses ist sicherlich kein 40-Stunden-Job?

Ursula Vierkötter: Mein Arbeitspensum schwankt so zwischen 50 und 60 Stunden die Woche. Allerdings muss ich dazu sagen, dass man nie richtig abschaltet, egal, ob zu Hause oder im Auto. Für mich ist die Arbeit ein großer Teil meines Lebens. Und Gott sei Dank macht es mir riesig Spaß.

business-on.de: Was sagt Ihr Sohn dazu, dass er Sie so wenig sieht?

Ursula Vierkötter: Er findet es okay und ist stolz auf seine Mami. Er kennt es nicht anders. Im Prinzip ist er ein Karstadt-Kind. Ich habe das grosse Glück, dass sich meine Eltern und mein Lebensgefährte sich um ihn hervorrragend kümmern. Wenn ich zu Hause bin, nehme ich mir auch wirklich Zeit für ihn. Obwohl ich überbehütete Kinder auch nicht gut finde, überkommt mich natürlich ab und zu das schlechte Gewissen. Aber Teilzeitgeschäftsführer gibt es eben nicht.

business-on.de: Finden Sie noch Zeit für Sport oder andere Freizeitbeschäftigungen?

Ursula Vierkötter: Wenn die Zeit es zuläßt, steht Sport auf dem Programm. Beispielsweise Aerobic, Laufen, Fitnesscenter. Ich fahre gern Rennrad, laufe leidenschaftlich gern Ski. Im Sommer ist es bevorzugt Windsurfing.

business-on.de: Kann es sein, dass Sie das Risiko lieben?

Ursula Vierkötter: Ja.

business-on.de: Auch im Job?

Weder konform noch stromlinienförmig

Ursula Vierkötter: Sicherlich, ich halte oft meinen Kopf aus dem Fenster, wenn alle anderen ihn schon wieder zurückgezogen haben. Beispiel. Ich lasse nicht locker, wenn mir eine Sache absolut nicht passt. Und ich bin bekannt dafür, dass ich keine Hand vor den Mund nehme. Aber wenn man mich von einer Sache überzeugt hat, dann stehe ich auch voll dahinter. Sie fragten mich nach Freizeitbeschäftigungen. Neben Sport lese ich viel und gern. Ich kann gar nicht einschlafen, ohne ein paar Zeilen gelesen zu haben.

business-on.de: Wie könnte die nächste Karrierestufe aussehen?

Ursula Vierkötter: Die Frage ist, wie man Karriere definiert. Für mich ist das auch immer mit der Frage verbunden, wie ich mein komplexes Leben mit dem Kind Karstadt, mit meinem Kind zu Hause, mit meinem Lebensgefährten und mit meinen Freunden in Einklang bringen kann. Momentan funktioniert das sehr gut. Und das ist extrem wichtig für mein inneres Gleichgewicht. Der nächste Karriereschritt wäre ein noch größeres Haus und das hieße auch, dass sich die Frage, wie das organisatorisch bewältigt werden kann, wieder neu stellt.

business-on.de: Also steht zunächst noch Köln auf dem Programm?

Ursula Vierkötter: Ja, ich habe noch ein paar Jahre hier in Köln zu tun, bis das alles so funktioniert, wie ich es mir vorstelle. Irgendwann werde ich zusammen mit meinem Chef ein neues Ziel stecken. Ich wehre mich allerdings dagegen, Karriere um jeden Preis zu machen. Dafür sind die Aufgaben, die man übernimmt, zu verantwortungsvoll. Mit meiner Position habe ich vor allem auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter ihre Familien zu Hause ernähren können. Das heißt, ich muss zusammen mit meinen Abteilungsleitern gute Ideen haben, damit der Umsatz die Arbeitsplätze sichert. Das ist eine große Verantwortung.

business-on.de: Sind Sie ein religiöser Mensch?

Ursula Vierkötter: Ja, ich bin katholisch. Für mich findet Glaube aber nicht nur in der Kirche statt. Er vermittelt mir die Sicherheit, dasss es da etwas Höheres gibt, mit dem man in Gedanken über Sorgen sprechen kann. Dass es nach dem Tod weiter geht, ist ein schöner Glaube und hat mir schon in vielen Lebensphasen geholfen.

business-on.de: Was bedeutet Politik für Sie?

Frauen agieren sachbezogener

Ursula Vierkötter: Natürlich gehe ich wählen. Aber Politik ist für mich vielfach schwer zu verstehen. Die Maßnahmen, die durchgeführt werden müssten, werden durch Wahlperioden konterkariert. Was Frau Merkel so bewegt hat, Hut ab. Sie macht das mit einer Souveränität, die ich ihr nicht zugetraut hätte. An ihr sieht man auch den Unterschied zwischen Frauen und Männern. Frauen agieren viel sachbezogener, während viele Männer davon getrieben werden, was ihrer Karriere dienlicher ist. Das ist für mich auch der Grund, warum Frauen es nicht in die Top-Positionen schaffen. Frauen wollen sich nicht der Karriere zuliebe verbiegen.

business-on.de: Wie gehen Ihre männliche Kollegen mit Ihnen um?

Ursula Vierkötter: Ich polarisiere ungern Männer und Frauen. Es besteht auch kein Grund dazu. Ich selbst fühle mich sehr integriert und habe den vollen Respekt bei meinen Kollegen, weil ich die Dinge beim Namen nenne, auch wenn sie unangenehm sind.

business-on.de: Fühlen Sie sich als Powerfrau?

Ursula Vierkötter: Also meine Lieben empfinden mich sicherlich nicht als Powerfrau, wenn ich abends nach Hause komme. Dann ist die Power erst mal raus. Bringen Sie doch alle mal zusammen. Das wäre eine spannende Runde.