Bestenauswahl hat absolute Priorität

Mechthilde Maier ist seit November 2008 Leiterin Group Diversity Management der Deutschen Telekom AG und seitdem für die Vielfalt und Chancengleichheit von weltweit 260.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verantwortlich. Chefredakteurin Karin Bäck sprach mit ihr über Frauenquote, Auswahl und interne Vorbehalte.

Für den Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, Thomas Sattelberger, ist Vielfalt und Chancengleichheit ein wichtiges Anliegen und erklärte Diversity zur „Chefsache“. Konsequenterweise berichtet das 12-köpfige Diversity-Kompetenzcenter direkt an den obersten Chef. Das Team ist international besetzt und hat das Ziel, so Mechthilde Maier,  „aus dem oft als „weich“ angesehenen „Diversity Case“ einen echten Business Case zu machen. Das heißt: einen messbaren Mehrwert für das Unternehmen und seine Beschäftigten zu erbringen und Diversity mit praktischen Maßnahmen fest im Unternehmen zu verankern.“

Die selbstbewusste, zierliche Frau stieg 1988 bei der damals noch zusammengehörigen Post und Telekommunikation ein. Seitdem hat sie verschiedene Aufgaben im Personalbereich mit Fach- und Leitungsfunktionen gemanaged. Nach 12 Jahren übernahm sie erstmals eine Geschäftsführungsfunktion bei der DeTECSM, die vier Jahre später mit der T-Systems verschmolzen wurde. Zuletzt war sie Leiterin Human Ressources (HR) ITO der T-Systems. Die Mutter dreier Kinder hat in Bayern BWL studiert. Der Vorname Mechthilde bedeutet übersetzt „mächtige Kämpferin“, ein Attribut, das sie sich zu eigen machte.

Career-Women.org : Frau Maier, welchen Anteil hat die Umsetzung der Frauenquote in Ihrer Diversity Group?

Mechthilde Maier: Ich hatte meinen Job als Diversity Managerin mit einem Faktencheck gestartet und festgestellt, dass beim Gender-Thema noch sehr viel Handlungsbedarf besteht. Deswegen haben wir uns schon im letzten Jahr gefragt, was zu tun ist, um Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern. Unter anderem ging es auch darum, Widerstände und Vorbehalte bei den zumeist männlichen Entscheidern auszuräumen. Die Bandbreite der Vorbehalte reicht von der Einstellung, dass Frau zu Hause bei den Kindern zu bleiben hat, bis zur Skepsis, wenn Frau acht Wochen nach der Entbindung wieder zurückkommt. Die Vorbereitung der Frauenquote hat mich und einen Teil meiner Mitarbeiter im letzten halben Jahr verständlicherweise voll beansprucht.

Career-Women: In den Medien war zu lesen, dass heute 19 Prozent der Führungspositionen bei der Telekom mit Frauen besetzt sind. Auf welchen Leitungsebenen sind sie vertreten?

Mechthilde Maier: Auf allen Leitungsebenen unterhalb des Vorstands, d.h. sowohl im oberen als auch im mittleren Management. Diese Frauen haben Personal- und Budget-Verantwortung.

Career-Women: Personalvorstand Thomas Sattelberger hat sich, so heißt es, für die Frauenquote entschieden, weil die bisherigen Vorgaben nicht den Erfolg brachten, den er sich vorgestellt hat. Was ist schief gelaufen?

Mechthilde Maier: Die Frage ist doch, wo wir heute stehen würden, wenn es diese Vorgaben nicht gegeben hätte. Ich vermute, dass der Frauenanteil dann noch geringer ausgefallen wäre. Richtig ist, wir haben nicht den großen Push erlebt. Das Programm, „Mehr Frauen in Führungspositionen“, wurde 1995 gestartet. Im Zeitraum von 15 Jahren haben wir uns nur im Promillebereich nach vorne bewegt. Was ist schief gelaufen? Bei der Integration in die Personalsysteme fehlte eine Systematik, die den Prozess messbar macht. Mit der Quote haben wir jetzt diese Systematik. Die 30 Prozent bis Ende 2015 sind uns deshalb wichtig, weil unser Frauenanteil im Unternehmen insgesamt 30 % beträgt. Wir nennen das Programm intern Fair Share.

Career-Women: Dr. Anastassia Lauterbach, in Kürze zuständig für den Bereich Produkte und Innovationen, wird dann die ranghöchste Frau im Unternehmen und dem Vorstand für Innovation und Technik direkt unterstellt sein. Ein erstes Ergebnis der Frauenquote?

IT mit besseren Aufstiegschancen

Mechthilde Maier: Nein, nicht direkt. Es ist ein interessantes Phänomen, dass im IT-Bereich die Frauen eher oben ankommen als beispielsweise im Marketing, und das, obwohl der Frauenanteil größer ist.

Career-Women: Der Großteil der Unternehmen aus Dax, MDax, TecDax und SDax lehnt die Frauenquote ab, obwohl auch sie das Ziel verfolgen, die Aufstiegschancen von Frauen zu verbessern. Sie setzen auf Vorgaben, die beispielsweise mit Boni oder Prämien verknüpft sind. Warum hat sich die Telekom zu diesem Alleingang entschieden? Stand dahinter nicht doch eher der Gedanke, einen tollen Mediencoup zu landen?

Mechthilde Maier: Warum? Im Prinzip ist unsere Quote auch nichts anderes als eine Zielvorgabe und für uns ein Business-Case. Wir haben keine Besetzungsquote in dem Sinne, dass die Verantwortlichen ab sofort gezwungen sind, jede dritte Stelle mit einer Frau zu besetzen. Bei uns gilt nach wie vor die Bestenauswahl. Aber wir achten jetzt darauf, dass im Bewerber- bzw. Talente-Pool und bei Neu-Rekrutierungen genügend Frauen vertreten sind, damit überhaupt eine Auswahlsituation zustandekommt. Die Kunst wird es sein, dies auf allen Entwicklungspfaden transparent zu machen. Bisher konnte mir beispielsweise keiner erklären, warum der Männeranteil bei den Bewerbungsverfahren nach oben hin größer wird und der Anteil der Frauen geringer.

Career-Women: Das Streben nach Leitungs-Verantwortung ist bekanntlich bei Frauen aus unterschiedlichen Gründen, wie Work-Life-Balance, nicht so ausgeprägt wie bei Männern. Wie wollen Sie das Interesse an einer Führungsposition wecken?

Erreichbarkeit über neue Medien

Mechthilde Maier: Wie schon gesagt, uns geht es darum, dass Frauen Beruf und Familie miteinander verbinden können. Wenn das Kind krank wird oder die Mutter zu pflegen ist, dann bleibt das oft an der Frau hängen. Das ist in unserer Gesellschaft so und das kann man als Firma auch nicht ausknipsen. Deswegen arbeiten wir auch daran, Entlastung im Sinne von Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Erreichbarkeit über neue Medien zu schaffen.  Hinzu kommen unsere Angebote aus der Personalentwicklung, beispielsweise Mentoring oder in bestimmten Situationen ein Coaching.

Career-Women: Sind das speziell auf Frauen abgestimmte Personalentwicklungs-Programme?

Mechthilde Maier: Grundsätzlich ist unser Angebot geschlechtsneutral, es können sowohl Männer als auch Frauen daran teilnehmen. Vereinzelt gibt es Frauen, die sich nur in einer homogenen Gruppe wohl fühlen. Das lässt sich im Einzelfall auch arrangieren. Die große Masse der Frauen hat damit eher ein Problem nach dem Motto, sie seien nicht genügend qualifiziert und brauchen daher eine Sonderbehandlung.

Career-Women: Das Commitment für mehr Frauen in Führungspositionen ist seit mehreren Jahren Bestandteil der Corporate Governance bei vielen Aktiengesellschaften. So neu ist das Thema also nicht.

Mechthilde Maier: Richtig, das ist nichts Neues, aber wir haben inzwischen mehr Erfahrung.

Career-Women: Vielfach wurden auch frauen@firma-Netzwerke installiert, wobei ich gehört habe, dass sie nicht genutzt werden.

Social Media Networks für Wissens- und Erfahrungstransfers

Mechthilde Maier: Diese formellen Netzwerke haben sich nicht wirklich durchgesetzt. In den neuen Medien wie Xing, Twitter oder in Blogs kristallisieren sich ganz andere informelle Netzwerke und Kommunikationsmöglichkeiten heraus. Es ist total spannend, in welcher Form hier auch Wissens- und Erfahrenstransfer stattfindet. Ich glaube, Frauen netzwerken anders und die Social Media Networks kommen ihnen entgegen. Wir experimentieren selber mit diesen neuen informellen Netzwerken. Ich bin überzeugt, dass sie besser funktionieren werden.

Career-Women: Und warum macht ein Konzern wie die Telekom das alles?

Schrumpfende Akademiker-Erwerbsquote

Mechthilde Maier: Warum machen wir das? Ein ganz wichtiger Aspekt ist die schrumpfende Akademiker-Erwerbsquote. Auf diesem Hintergrund ist es opportun, junge Frauen mit einzubeziehen. Für Unternehmen gibt es außerdem noch den wirtschaftlichen Aspekt. In einer der letzten Studien von McKinsey wurde nachgewiesen, dass es eine deutliche Korrelation zwischen Unternehmenserfolg und der Zahl der beteiligten Frauen im Board gibt.

Career-Women: Man könnte sich die fehlenden Fachkräfte auch aus dem Ausland holen?

Mechthilde Maier: Über die fünf oder zehn Prozent, die wir über Migrationsprogramme gewinnen könnten, kann man sich Gedanken machen. Aber wenn ich 50 Prozent der Bevölkerung erst einmal als grundsätzliches Potential außen vorlasse, dann machen wir einen schlechten Job.

Career-Women: A propos Frauenquote und Gleichbehandlungsgesetz. Besteht nicht das Risiko, dass sich Männer aufgrund der Frauenquote ausgebootet fühlen und vermehrt gegen Personalentscheidungen klagen?

Mechthilde Maier: Ich sagte schon, wir haben keine Besetzungsquote sondern die Bestenauswahl und deswegen können wir dieses Risiko ausschließen.

Career-Women: Einige Headhunter behaupten, es gibt zu wenige Frauen, die sich für Top-Positionen bewerben, und zu wenige mit der gesuchten Qualifikation.

Mechthilde Maier: Das sind Argumente des Old-Boy-Network. Die das behaupten, haben sich nie drum gekümmert und deswegen keine Frauen in ihrem Netzwerk. Ich fand übrigens die Resonanz auf unsere Pressemitteilung zur Frauenquote interessant. Plötzlich boten uns ganz viele Headhunter, die ein Jahr zuvor noch genau diese Geschichte erzählt haben, ihr Frauen-Portfolio an.

Career-Women: Der nominierte Vorstand für Technologie und Innovation ist keine Frau sondern ein Mann, Edward R. Kozel. Der Telekom-Vorstand bleibt also trotz Frauenquote frauenlos.

Mechthilde Maier: Ja, aber wir kommen allmählich aus der Selbstverständlichkeit heraus, dass die Topriege männlich zu sein hat. Wenn wir die Frauenquote nicht kommuniziert hätten, wäre die Vorstands-Besetzung mit einem Mann gar nicht zur Kenntnis genommen worden. Oder, dass zwei neue Aufsichtsräte wieder männlich sind, wäre unter ferner liefen registriert worden. Interessant war auch, dass unsere Shareholder auf der Hauptversammlung zur Frauenquote Stellung bezogen haben. Ich finde es Klasse, dass sich dieser Diskussionsprozess so breit auffächert.