Entwicklung als Herausforderung

Der Weg nach oben war nicht zielstrebig, sondern mit vielen Zwischenstationen versehen. Aber genau das entspricht ihrem Leitbild von Parallelität und Aufgeschlossenheit für neue Entwicklungen. Elisabeth Slapio, Geschäftsführerin der IHK Köln, empfindet es als Chance, immer wieder den Blick zu schärfen für das, was links und rechts passiert.

Elisabeth Slapio ist seit 1985 in der IHK Köln tätig. Mit der Zeit wurden es immer mehr Aufgaben. Heute gehören zum Verantwortungsbereich der Juristin die Themen Handel, Tourismus, Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne der Branchenbetreuung. Zu ihren Aufgaben zählt zusätzlich die Leitung des Rechenzentrums der IHK. Elisabeth Slapio lernte bereits im Jurastudium, wie wichtig es ist, über den eigenen Tellerrand zu schauen.

career-women.org: Frau Slapio, Sie haben in Köln Jura studiert. Eine prominente Studienkollegin von Ihnen, Dr. Renate Jäger, Bundesverfassungsrichterin a.D., ist Mitglied im Absolventenclub KölnAlumni. Sie auch?

Elisabeth Slapio: Ja, ich habe über verschiedene Mitgliedschaften immer noch eine enge Bindung an die Universität Köln. Parallel zu meinem Studium durfte ich an verschiedenen Instituten mitarbeiten, beispielsweise am Institut für Rundfunkrecht oder, am Institut für Neuere Privatrechtsgeschichte. Das waren wertvolle Erfahrungen, für die ich heute immer noch sehr dankbar bin.

Pluralistische Wahrnehmung der Dinge

career-women.org: Besonders prägend war für Sie das Studium generale.

Elisabeth Slapio: Professor Dr. Heinz Hübner hat uns immer wieder dazu angehalten, sich über den juristischen Tellerrand hinaus mit Kulturen bzw. verschiedenen Rechtssystemen zu beschäftigen. Er machte auch Exkursionen mit uns durch Europa. Meine Erfahrung daraus: Die Juristerei wird zu einem spannenden Thema, wenn man historische, philosophische und kulturelle Betrachtungen mit einbezieht. Diese pluralistische Wahrnehmung der Dinge ist für mich auch heute noch ganz wichtig.

career-women.org Wie kamen Sie zur Juristerei?

Elisabeth Slapio: Ein junger Richter, der an unserer Schule Rechtskundeunterricht gab, hatte mein Interesse für Jura geweckt. Nach eigenen Recherchen – das heutige Angebot an Berufsberatung gab es noch nicht – stellte ich fest, dass man als Juristin auch Geld verdienen kann und eine Vielfalt an beruflichen Möglichkeiten hat. Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Uni Köln hatte außerdem Anfang der Siebziger einen guten Ruf. Vor bzw. parallel zu meinem Jura-Studium absolvierte ich noch ein so genanntes Vorsemester Mathematik und Physik sowie BWL.

career-women.org: Nach dem zweiten Staatsexamen und der Referendarzeit fingen Sie in einer Kanzlei an, die u. a. auf wirtschaftsnahe Themen wie Insolvenz- und Wettbewerbsrecht spezialisiert war. Wann hatte sich Ihre Affinität zur Wirtschaft herauskristallisiert?

Elisabeth Slapio: Ich hatte neben meinen Tätigkeiten als studentische Hilfskraft noch zahlreiche Aushilfsjobs in der Wirtschaft, beispielsweise in einem Meinungsforschungsinstitut, bei der Deutschen Post, in einem Handwerksbetrieb, etc. Später ergab es der Zufall, dass ich in der Referendarzeit gefragt wurde, ob ich meine Stage in der IHK machen wollte. Über Umwege kam ich in die Zweigstelle Leverkusen und lernte, dass Wirtschaft sehr viel mehr ist als Zahlen und Aktienkurse.

career-women.org: Wie kam es dann zur Anstellung an der IHK Köln?

Elisabeth Slapio: Die IHK hatte eine Vertretung für den Zweigstellenleiter in Leverkusen gesucht und sich dabei an die Referendarin Slapio erinnert. Ich nahm an – es passte damals gut in meine Findungsphase.

Über Jobrotation zur Geschäftsführerin

career-women.org: Sie sind geblieben und das inzwischen seit mehr als 20 Jahren. Es war offensichtlich eine bewegte und abwechslungsreiche Zeit. Wie viele Stationen waren es bis zur Geschäftsführerin?

Elisabeth Slapio: Wenn ich mich recht erinnere, waren es etwa sieben. Die IHK bot die Möglichkeiten der Jobrotation in einem Maße, wie man dies nur selten findet. Ich arbeitete in den verschiedenen Bereichen relativ selbständig und konnte dabei den Bezug zum Mittelstand stetig ausbauen. Im Bereich Außenwirtschaft war ich zu einer Zeit tätig, als sich die Europäische Gemeinschaft auf den Durchbruch zur Europäischen Union vorbereitete. Vor dem Fall der Mauer im November 1989 wurde ich in die DDR geschickt, um die Handels- und Gewerbekammern zunächst in Leipzig, später in Halle, Leuna und Bitterfeld beim Aufbau zu unterstützen. Das war eine spannende, aber auch archaische Zeit. Ich wohnte mit anderen Gästen in einem kleinen Haus mit Kohlefeuerung, es gab keine Computer, keine Mobiltelefone.

career-women.org: Ich kenne Sie aus einer Zeit, in der Sie die Kölner Softwaretage in der IHK organisierten. Das müsste so Anfang der neunziger Jahre gewesen sein. Seitdem wird das Thema Informations- und Kommunikationstechnologie mit Ihrer Person verbunden. Als Juristin, zwar mit wirtschaftlichem Background, ist eine technische Kompetenz recht außergewöhnlich. Wie kam es dazu?

IT-Kompetenz mit Kölner Softwaretagen

Elisabeth Slapio: Das war auch wieder mehr oder weniger Zufall. Die Kammer Leipzig hatte in einem Abschiedsschreiben meine technische Versiertheit hervorgehoben. Ein Grund dafür war möglicherweise, dass ich zu Beginn meines Einsatzes den ersten Kopierer mit meinem KFZ-Bordwerkzeug reparierte. Als im Rahmen einer Umstrukturierungsmaßnahme der IHK – ich war damals persönliche Referentin – geprüft wurde, wer sich um die ITK kümmern könnte, stieß die Personalabteilung unter anderem auf diesen Abschiedsbrief. Die Kölner Softwaretage waren ideal, um Know-how und Kontakte in dieser Branche aufzubauen. Heinz Paul Bonn, Kölner Unternehmer und heute Vizepräsident des BITKOM e. V., begleitete das Projekt dankenswerterweise als Mentor und Förderer.

career-women.org: … und dann wurden Sie Geschäftsführerin für diesen Bereich.

Elisabeth Slapio: Der Bereich ITK war zunächst als Stabsstelle aufgehängt. 1994 ist daraus der Geschäftsbereich IuK entstanden, deren Geschäftsführung ich übernahm. Der Bereich umfasste auch die damalige Datenverarbeitung für die IHKs Köln, Bonn und Aachen. Die Region Köln hatte sich in dieser Zeit bereits zu einem der Spitzenstandorte der deutschen ITK mit mehr als 10.000 Unternehmen entwickelt.

Weiterentwicklung durch neue Aufgaben

career-women.org: Damals waren Sie die erste Frau mit Verantwortung für ITK in einer Top-Position als Geschäftsführerin und eine der ganz wenigen Frauen, die sich in einer Männerdomäne behaupten mussten. Beachtenswert ist auch, dass Sie erst 36 waren, als Sie zur Geschäftsführerin ernannt wurden. Haben Sie bewusst auf diese Karriere hingearbeitet?

Elisabeth Slapio: Diesen Karriereplan, den heute junge Leute oft haben und der auch von Managementberatern gelegentlich empfohlen wird, hatte ich nie. Für mich gab und gibt es eine Leitlinie und die beinhaltet, dass Menschen gute Leistungen dann erbringen können, wenn sie zur richtigen Zeit, am richtigen Ort mit den richtigen Rahmenbedingungen arbeiten können. Mit jeder neuen Aufgabe wurde für mich ein Prozess angeschoben, der eine Weiterentwicklung war. Ob es Glück, Förderung oder Schicksal war, ist Ansichtssache. Sicher ist, ich habe immer zu bestimmten Zeiten Chancen gesehen oder angeboten bekommen. Im Prinzip habe ich das getan, was man jungen Leuten als modernes Job-Hopping empfehlen sollte: Erweitert eure Aufgaben, öffnet euch für neue Aufgaben.

career-women.org: Wurde der Grundstein für Ihre Flexibilität und Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem im Elternhaus gelegt?

Elisabeth Slapio: Ja, ich wurde sehr fortschrittlich erzogen. Das heißt, es gab keine Rollenbilder nach dem Motto, das machen nur Jungs und dies nur Mädels. Und die Eltern haben mir das Studium ermöglicht.

career-women.org: Ich habe den Eindruck, dass früher die Berufsmöglichkeiten besser waren. Täuscht der Eindruck? Oder steht sich die heutige Generation selbst im Weg?

Elisabeth Slapio: Ich glaube, dass jede Generation Phasen hat, in der eine Einengung der Möglichkeiten gegeben ist. Wir beobachten heute, dass viele Absolventen aus dem dualen System oder aus dem Hochschulsystem ausgeprägte Zukunftsängste haben, weil die Zeiten, in denen man immer schneller aufstieg und es immer besser dotierte Jobs gab, vorbei sind. Man könnte auch sagen, dass die Generation Golf passé ist, abgelöst von der Generation Praktikum. Speziell den Jüngeren fehlt die Vorstellungskraft, dass wir uns in einem Prozess befinden, der sich gigantisch verändert. Und das ist die eigentliche Chance für zukünftige Generationen. Aus meiner Sicht wird auch unterschätzt, dass die heutige Quantität und Komplexität des Wissens nur beherrschbar ist, wenn zugleich ein Mindestmaß an methodischer Fertigkeit vorliegt. Die Google-Generation hat zwar den Vorteil, dass sie zwei Stichworte eingibt und die Lösung hat, aber sie hat nicht gelernt, Prozesse methodisch zu erarbeiten. In meiner Studienzeit wurden wir noch regelrecht auf methodische Vorgehensweisen getrimmt. Heute weiß ich, wie wichtig das war.

Praxisnahe Handlungsempfehlungen und persönliche Kontakte

career-women.org: Im Rahmen der Branchenbetreuung werden in Ihrer IHK viele mittelständische Unternehmen betreut. Wie sieht das Angebot konkret aus?

Elisabeth Slapio: Industrie- und Handelskammern bieten von der Gründungsberatung bis zur Insolvenzprophylaxe ein breites Spektrum an Informationen und Beratung. In der Branchenbetreuung ist entscheidend, dass wir praxisnahe Handlungsempfehlungen durch unsere Fachgremien erhalten. Viele Unternehmen engagieren sich ehrenamtlich in Ausschüssen und Wirtschaftsgremien, die die Nähe zum Bedarf der Einzelnen, aber auch zu den jeweiligen Standorten im IHK-Bezirk sichern. Gerade in der heutigen Zeit ist es wichtig, die besonderen mittelständischen Belange der Unternehmen im Blick zu haben. Dies geht nicht ohne viele persönliche Kontakte zu Unternehmerinnen und Unternehmern, aber auch zu den fachlichen Partnern im Kommunalbereich, in Verbänden, an Universitäten und Fachhochschulen.

career-women.org: Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft gesetzt?

Elisabeth Slapio: Eines meiner Ziele ist eine gewisse Authentizität im Sinne einer persönlichen Geradlinigkeit. Ich möchte weiterhin ein „Näschen“ haben für Chancen und Entwicklungen, die sich abzeichnen. Ohne jetzt pathetisch zu klingen, ich möchte meinem Umfeld etwas zurückgeben von den Chancen, die sich mir geboten haben. Natürlich hoffe ich, bei geistiger Frische möglichst lange gesund zu bleiben und bei aller Freude an der Arbeit, auch die richtige Work-Life-Balance in einem ausgeglichenen privaten Umfeld zu finden.

career-women.org: Wie verbringen Sie am liebsten Ihre Freizeit?

Elisabeth Slapio: Ein Teil meiner Freizeit verbringe ich mit gesellschaftlichen Engagements. Ich gehöre beispielsweise Soroptimist International an. Das ist eine weltweite Frauenorganisation, die sich mit gesellschaftlichen und sozialen Themen beschäftigt. Außerdem bin ich sehr interessiert an Literatur und Kunst und gemeinsamen Aktivitäten im Familien- und Freundeskreis. Die Impulse von außen sind wichtig, um neue Kräfte aufzutanken.

career-women.org: Sie reisen auch gern. Was sind Ihre Lieblingsziele?

Elisabeth Slapio: Ich wechsele gerne zwischen Entspannungsurlaub und Erkundungsreisen in die große weite Welt. Dazu zählen der Abstecher nach New York genauso wie die Erholung in unserer Region, in der es immer wieder Neues zu entdecken gibt.