Forscherinnen im Fachgebiet Chemie-Information-Computer ausgezeichnet

FIZ CHEMIE Berlin-Preise 2010 gehen an Dr. Simone Fulle und Karen Schomburg / Simone Fulle hat in ihrer Dissertation eine auf Graphentheorie basierende Methode weiterentwickelt, mit der sich die flexiblen und rigiden Bereiche von Ribonukleinsäuren (RNA-Strukturen) innerhalb weniger Sekunden bestimmen lassen. Karen Schomburg hat in ihrer Masterarbeit eine Software entwickelt, die SMARTS-Zeichenketten in leicht lesbare Strukturgraphiken mit Legenden umwandelt.

Die FIZ CHEMIE Berlin-Preise 2010 gehen an Dr. Simone Fulle für ihre bei Prof. Dr. Holger Gohlke, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, erarbeitete Dissertation und an Karen Schomburg (M.Sc.) für ihre Masterarbeit in der Forschungsgruppe von Prof. Dr. Matthias Rarey an der Universität Hamburg. Mit dem FIZ CHEMIE Berlin-Preis zeichnet die Fachgruppe Chemie-Information-Computer (CIC) der Gesellschaft Deutscher Chemiker e.V. (GDCh) Nachwuchswissenschaftler aus, die mit ihrer Dissertation, Master- oder Diplomarbeit eine besondere Leistung zur Weiterentwicklung des Fachgebietes Chemie-Information-Computer erbringen. Das interdisziplinäre Forschungsgebiet hat durch die Bereitstellung computerbasierter Forschungsmethoden und Simulationswerkzeuge große Bedeutung für die Arzneimittelforschung gewonnen.

Dr. Simone Fulle, Gewinnerin des FIZ CHEMIE Berlin-Dissertationspreises 2010, hat ihre Doktorarbeit auf den Strukturinformationen aufgebaut, die aus der Arbeit der Nobelpreisträger resultieren. Durch die erstmalige Bestimmung und Analyse der Flexibilitätseigenschaften der Ribosomstrukturen ist es Simone Fulle gelungen, neue Einsichten in die Funktion des ribosomalen Tunnels zu erhalten, der eine wichtige Rolle bei der Regulation der Proteinsynthese einnimmt. Hierfür hat sie eine neue Netzwerkrepräsentation für RNA-Strukturen entwickelt, mit der die Flexibilitätseigenschaften dieser Strukturen innerhalb weniger Sekunden bestimmt werden können. Die von ihr entwickelte Methode erlaubt in Zukunft eine effiziente Analyse auch von anderen RNA-Strukturen, was neue Einsichten in die Zusammenhänge zwischen Flexibilität und biologischer Funktion ermöglicht und wertvolle Informationen für die Verbesserung von Antibiotika im Rahmen von strukturbasierten Wirkstoffdesign-Ansätzen liefert. Die Ergebnisse ihrer Arbeit wurden in fünf wissenschaftlichen Publikationen in anerkannten internationalen Fachjournalen veröffentlicht. Das Journal of Chemical Information and Modeling 2010 publizierte eine Untersuchung, die den von Fulle entwickelten Ansatz nutzte, um Konformationsensembles der HIV-1 TAR-RNA zu erzeugen. http://pubs.acs.org/toc/jcisd8/50/8

Professor Gohlke, Inhaber einer Professur für Pharmazeutische und Medizinische Chemie an der Universität Düsseldorf, erklärt: „Simone Fulle hat mit sehr viel technischem Verstand und tiefer Einsicht in RNA-strukturbiologische Fragestellungen eine grundlegende Methode zur Vorhersage der Flexibilität von RNA-Strukturen entwickelt. Ihre Methode erlaubt es, innerhalb von wenigen Sekunden die flexiblen und rigiden Bereiche dieser Biomakromoleküle zu bestimmen, was sowohl für das Verständnis der biologischen Funktion unabdingbar als auch für die Durchführung von strukturbasierten Wirkstoffdesign-Ansätzen hilfreich ist.“

Simone Fulle wurde am 6.12.1979 in Wiesbaden geboren. Nach ihrem Abitur 1999 am Elly-Heuss-Gymnasium in Wiesbaden begann sie 2000 ihr Studium der Bioinformatik an der Goethe Universität in Frankfurt am Main mit den Schwerpunkten Molekulare Bio- und Chemieinformatik sowie Struktur und Funktionsbestimmung von Biomolekülen. 2006 schloss sie ihr Studium mit dem Diplom mit der Bewertung „sehr gut“ ab. Danach folgte ein vierjähriges Promotionsstudium mit Forschungsaufenthalten an der Yale Universität, New Haven/USA, in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. William L. Jorgensen und an der Arizona State Universität, Tempe/USA, im Team von Prof. Dr. Mike Thorpe. Die Idee zu ihrer Doktorarbeit geht auf einen Vortrag von Prof. Dr. Nenad Ban (ETH Zürich) zurück, in dem er die Frage aufwarf, wie eine Peptidkette durch den ribosomalen Austrittstunnel wandert. Für ihre Doktorarbeit an der Goethe-Universität in Frankfurt, in der sie u. a. die Funktion des ribosomalen Tunnels untersuchte, erhielt Simone Fulle ebenfalls die Note „sehr gut“. Die junge Forscherin arbeitet zurzeit als Postdoktorandin an der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf.

Karen Schomburg (M.Sc.), Gewinnerin des FIZ CHEMIE Berlin-Preises 2010 für eine herausragende Masterarbeit, hat eine Software entwickelt, die Zeichenketten der Chemie-Computersprache SMARTS in leicht lesbare Strukturgraphiken umwandelt. Das Ergebnis wird automatisch mit Legenden versehen. Diese erklären die auf der Darstellung verwendeten chemischen Symbole und Bindungen. Der Prototyp ist auf der Webseite des ZBH Zentrum für Bioinformatik der Universität Hamburg zum Testen bereitgestellt (http://smartsview.zbh.uni-hamburg.de/). Diese Veröffentlichung beschert der Nachwuchswissenschaftlerin nach eigener Aussage „den spannendsten Teil ihrer Masterarbeit“, weil sie nun Rückmeldungen und Diskussionsbeiträge von Nutzern erhält.

Prof. Dr. Matthias Rarey, Geschäftsführender Direktor des ZBH und Betreuer der Masterarbeit, erläutert Hintergrund und Bedeutung des Forschungs- und Entwicklungsansatzes: „In der Chemie spielt die graphische Sprache der Strukturformeln eine zentrale Rolle. Allerdings gibt es nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, verallgemeinernde, molekulare Muster graphisch darzustellen. In unserem Fachgebiet, der Chemoinformatik, hat sich hierfür die Mustersprache SMARTS als Quasi-Standard durchgesetzt. Für Chemikerinnen und Chemiker aus anderen Fachrichtungen sind die alphanumerischen Zeichenketten nicht oder nur sehr schwer verständlich. Karen Schomburg hat die für maschinelle Verarbeitung konzipierten Zeichenketten in die Bildsprache der Chemie übersetzt: in Graphiken ähnlich den Strukturdiagrammen, mit denen forschende Chemiker tagtäglich umgehen. Sie liefert damit ein Werkzeug, das alle Forscherinnen und Forscher bei der computergestützten Suche nach neuen Wirkstoffen unterstützt. Ihr Konzept ist nicht nur gut durchdacht und hervorragend umgesetzt. Es ist auch ein schönes Beispiel dafür, welch wertvolle Beiträge Chemoinformatik für die chemische Forschung als Ganzes liefern kann“.

Karen Schomburg kam am 30. 9.1984 in Braunschweig zur Welt. Ihr Abitur legte sie am Gymnasium Lechenich im nordrhein-westfälischen Erftstadt mit der Note 1,0 ab. Ihre Begeisterung für Chemie resultiert aus dem anschaulichen und spannenden Unterricht, den der Chemielehrer an ihrer Schule gab. Diesen Lehrer dürfte halb Deutschland kennen, nachdem er bei „Wer wird Millionär“ eine halbe Million Euro gewonnen hat. Von 2004 bis 2007 studierte Karen Schomburg Biochemie an der Ruhr Universität Bochum, wo sie den Titel eines Bachelor of Science erwarb. Daran schloss sich ein zweijähriges Bioinformatik Studium am ZBH an, wo sie ihren Master of Science ablegte. An ihrem Masterarbeitsthema reizte sie vor allem die konzeptionelle Entwicklung eines Visualisierungsschemas. Derzeit arbeitet Karen Schomburg an ihrer Promotion. 

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