Karriere im Doppelpack

Ein DJI-Projekt, dessen Ergebnisse im Folgenden in Auszügen vorgestellt werden, hat untersucht, wie und unter welchen Bedingungen es Frauen in Partnerschaften gelingt, eine eigene Karriere zu verfolgen, bzw. es Paare schaffen, über längere Zeit zwei berufliche Karrieren zu verfolgen. Qualifizierte Paare stehen offensichtlich vor großen Herausforderungen, wenn sie nicht nur eine, sondern zwei Karrieren realisieren wollen. Insbesondere dann, wenn sich Nachwuchs einstellt. Von Nina Bathmann und Susanne John

Die Doppelbelastung von Familie und Beruf stellt für Frauen nach wie vor die entscheidende Karrierebremse dar. Jede zweite hat aus diesem Grund mindestens einmal ihre Karrierewünsche aufgeben oder ändern müssen. Das geht aus einer aktuellen repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung hervor, für die das Meinungsforschungsinstitut TNS Emnid 1.029 Frauen und Männer befragt hat. Mangelnde Förderung am Arbeitsplatz oder unzureichende berufliche Qualifikation nannte hingegen nur jede vierte Frau als Karrierehindernis.

Hoch qualifizierte Frauen sind meist entweder allein stehend oder leben mit einem Partner, der ebenfalls beruflich erfolgreich ist. Anders als ihre männlichen Pendants können weibliche Führungskräfte seltener auf einen Partner zurückgreifen, der ihnen „den Rücken freihält“. Sie wählen in der Regel einen Partner auf „Augenhöhe“. Das bedeutet, wenn sie einen Partner haben, ist dieser häufig ebenfalls hoch qualifiziert und als Führungskraft tätig. Die Partnerinnen männlicher Führungskräfte sind in der Regel geringer qualifiziert und/oder in geringerem Umfang erwerbstätig als sie selbst.

Vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung, des prognostizierten Fachkräftemangels und der zunehmenden Internationalisierung von Wirtschaft und Wissenschaft ist das öffentliche Interesse an Doppelkarrierepaaren vor allem aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht in den letzten Jahren stark gestiegen. Zu den Dual Career Couples (DCC) zählen in Deutschland schätzungsweise 5 bis 20 Prozent der berufstätigen Paare, bei Akademikerpaaren im Alter von 30 bis 49 Jahren sind es ungefähr 50 Prozent.

Leitbilder hierfür sind bislang rar. Die Unterstützung für Doppelkarrierepaare durch Arbeitgeber und eine moderne Infrastruktur stehen in Deutschland noch am Anfang. So ist es nicht verwunderlich, dass es auch Doppelkarrierepaaren schwer fällt, der „Traditionalisierungsfalle“ zu entkommen, d.h. nach der Geburt eines Kindes nicht wieder in die früher übliche Rollenteilung zurückzufallen, bei der der Mann das Geld verdient und die Familien- und Sorgearbeit fast ausschließlich von der Frau geleistet wird.

Der Frage, wie man dieser Falle entkommen kann, ist das DJI-Projekt „Karriereverläufe von Frauen“ aus einer biografischen und geschlechtersoziologischen Perspektive nachgegangen. In dem qualitativ angelegten Forschungsprojekt, das von Ende 2007 bis Ende 2010 am Deutschen Jugendinstitut in München durchgeführt wurde, sind 47 hochqualifizierte Frauen und 39 ihrer Partner/innen in narrativ-biografischen Einzel- und Paarinterviews befragt worden. Alle Paare hatten bereits Kinder oder haben im Verlauf des Projekts Kinder bekommen. Zur Sprache kamen in den Interviews nicht nur wichtige Karriereentscheidungen wie Orts- oder Arbeitgeberwechsel, sondern auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie die partnerschaftliche Abstimmung der Aufgabenverteilung im Alltagsleben. Ziel war es, Bedingungen zu identifizieren, die für den beruflichen Erfolg insbesondere von Frauen ausschlaggebend sind. Denn aus der bisherigen Forschung ist bekannt, dass es in Partnerschaften überwiegend die Karrieren der Frauen sind, die irgendwann auf der Strecke bleiben – spätestens dann, wenn Kinder zu versorgen sind.

Im Verlauf der gemeinsamen Zeit sind diese Paare unterschiedliche Wege gegangen. Aufgrund des ausgewerteten Materials konnte eine Typologie von Verlaufsformen beruflicher Entwicklungen erstellt werden:

Paartyp 1: Das dauerhafte Ein-Karriere-Modell der Frau
Paartyp 2: Dauerhafte Doppelkarrierepaare
Paartyp 3: Die aufholende Karriere der Frau
Paartyp 4: Die Re-Etablierung der Karriere der Frau
Paartyp 5: Die Priorisierung der männlichen Berufskarriere
Paartyp 6: Das dauerhafte Ein-Karriere-Modell des Mannes

In Paartyp 1 und 6 wird jeweils nur die Berufskarriere eines Partners verfolgt. In den Paartypen 2 bis 5 werden mehr oder weniger kontinuierlich und mit unterschiedlichem Erfolg zwei Berufskarrieren verfolgt.

Der Typ der dauerhaften Doppelkarrierepaare sowie der Typ der Priorisierung der männlichen Berufskarriere weisen noch weitere Binnendifferenzierungen auf:

Paartyp 2: Dauerhafte Doppelkarrierepaare

  • Doppelung des „männlichen“ Karrieremodells
  • Dual Career – Dual Care
  • Copreneurs – verbundene Karrieren

Paartyp 5: Die Priorisierung der männlichen Berufskarriere

  • Vom Dual Career Couple (DCC) zur primären männlichen und sekundären weiblichen Karriere
  • Vom DCC zum männlichen Ein-Karriere-Model

Die zuletzt genannten Haupttypen 2 und 5 sind besonders interessant, da die betreffenden Paare, ausgehend von einer Doppelkarrierekonstellation, im Zeitverlauf zwei gegenläufige berufliche Entwicklungen innerhalb der Paarbeziehung nehmen: während es den Paaren des dauerhaften Doppelkarrieremodells gelingt, zwei Karrieren dauerhaft zu verfolgen, kommt es bei den Paaren des Typs „Priorisierung der männlichen Berufskarriere“ im Zeitverlauf zu einer Verschiebung zugunsten der Karriere des Mannes und einem mehr oder weniger ausgeprägten Karriereverzicht der Frau. 

Die Darstellung dieser beiden Verlaufsmuster ist daher besonders aufschlussreich, um sich einer Antwort auf die Frage zu nähern, welche Faktoren die berufliche Karriere von Frauen, die in einer Paarbeziehung leben, befördern und welche sie behindern.

Handlungsempfehlungen

Auf der Basis der  Forschungsergebnisse hat das DJI-Forschungsteam Handlungsempfehlungen entwickelt, die die berufliche Entwicklung von Frauen fördern und die Vereinbarkeit zweier Berufskarrieren in Paarbeziehungen erleichtern sollen. Die Empfehlungen richten sich in erster Linie an Arbeitgeber, Personal- und Betriebsräte in Wirtschaft, Verbänden und Verwaltungen. In der Verantwortung stehen allerdings auch der Gesetzgeber sowie Kommunen und Träger lokaler Infrastruktur und nicht zuletzt die Paare selbst. Die Handlungsempfehlungen werden im Folgenden mit Fokus auf die Hauptbotschaften, auszugsweise referiert:

1. Wer Frauen fördern will, muss auch Paare im Blick haben

Für Arbeitgeber wird die Rekrutierung und die Bindung hoch qualifizierter Frauen und Männer an ihr Unternehmen eine zunehmend wichtigere Aufgabe. Unternehmen werden dabei nur erfolgreich sein, wenn sie auch den Paar- und Familienkontext im Blick haben, in dem diese Frauen und Männer leben (wollen) und in dem karriererelevante Entscheidungen getroffen werden. Dabei hat sich der familiäre Hintergrund aktueller und zukünftiger Führungs-(nachwuchs)-kräfte nachhaltig verändert: Beruflich ambitionierte Frauen und Männer haben zunehmend Partner/innen, die ebenfalls Karriere machen wollen. Ihre eigenen beruflichen Wege sind daher immer in Zusammenhang mit den Karriereinteressen ihrer Partner zu sehen und weder Männer noch Frauen haben einen Partner/eine Partnerin im Hintergrund, der bzw. die sie von allen häuslichen Pflichten entlastet und vollständig für ihre berufliche Karriere freistellt.

Für Arbeitgeber bietet sich bspw. an, dieser veränderten Situation durch die Einführung eines Programms zur Förderung von Doppelkarrieren (Dual Career Policy) Rechnung zu tragen. Die Fördermaßnahmen sollten dabei transparent sein und klare Regelungen umfassen.

2. Wer Mütter fördern will, muss auch Väter fördern

Beruflich ambitionierte Frauen und Männer wünschen sich oft auch Kinder oder sind bereits Mütter und Väter. Sie suchen nach Möglichkeiten, anspruchsvolle Führungspositionen mit ihrer Elternschaft zu verknüpfen und wünschen sich eine bessere Balance von Karriere und Familie. Hier wäre es u.a. wünschenswert, wenn der Gesetzgeber die Vätermonate ausweiten würde, um eine geschlechtergerechte Aufteilung der Elternzeit weiter zu fördern. Eine weitergehende Empfehlung ist zudem, die Ansprüche auf Elternzeit und Kinderkrankheitstage so zu gestalten, dass sie auch auf Dritte übertragbar sind. Dies würde die Handlungsoptionen der Eltern entscheidend vergrößern und die Betreuung der Kinder könnte auf mehrere und/oder andere Schultern verteilt werden.

3. Wer Frauen, Männer und Paare fördern will, muss die Rahmenbedingungen für Karrieren transformieren

Die institutionellen Rahmenbedingungen für Karrieren sind ein zentraler beruflicher Stolperstein für Frauen und DCC. Das Ideal der allzeit verfügbaren Führungskraft ist mit Sorgearbeit und/oder Work-Life-Balance nicht vereinbar. Viele Männer und Frauen wünschen sich, phasenweise beruflich kürzer zu treten, ohne berufliche Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.

Es wäre von Vorteil, Führung in Teilzeit für beide Geschlechter zu ermöglichen und dafür Sorge zu tragen, dass bereits auf Teilzeitbasis arbeitende Mitarbeiter/innen nicht von der Führungskräfteentwicklung ausgeschlossen werden.

4. Paare, die zu zweit Karriere machen wollen, können selbst viel dazu beitragen, dass dies gelingt

Zwei Karrieren eventuell noch mit Kindern zu vereinbaren, ist ein anspruchsvolles Vorhaben. Paaren, denen dies dauerhaft gelingt, so zeigen die Ergebnisse, wenden mehrere oder jede der im Folgenden skizzierten Handlungsstrategien an:

Wichtig ist zunächst, dass das Paar tatsächlich das gemeinsame Ziel hat, zwei Karrieren zu verfolgen und die Karriereambitionen beider Partner innerhalb der Beziehung als gleichwertig betrachtet werden. Die Partner, insbesondere Frauen, erleben es als unterstützend, wenn sie für ihre beruflichen Bestrebungen wechselseitig Anerkennung erfahren und sich die Partner, soweit es möglich ist, konkret beruflich unterstützen und beraten.

Empfehlenswert für Paare ist es weiterhin, bei jedem Karriereschritt eines Partners, dessen Konsequenzen für die Karrierechancen des anderen mit zu bedenken und zu versuchen, bei Zielkonflikten, beruflich nutzenbringende Situationen für beide Partner, d.h. Win-win-Situationen, zu schaffen. Dies wird besonders bei Mobilitätsanforderungen virulent. Ein Angebot an einem Ort anzunehmen, in dessen Umgebung für den anderen keine realistischen Optionen bestehen, erzwingt Fernbeziehungen oder kann mit Karrierenachteilen für den „mitziehenden“ Partner, die Partnerin verbunden sein.

Paare können einiges tun, um sich selbst das soziale Umfeld zu schaffen, welches ihren beruflichen Zielen dienlich ist. Bei der Auswahl des Arbeitgebers können Paare, die gemeinsam Karriere machen wollen, z.B. darauf achten, wie sich ihnen die Kultur des Unternehmens, etwa im Hinblick auf Arbeitnehmer- , Gleichstellungs- und Familienfreundlichkeit präsentiert. Der Arbeitsplatzbedarf des “mitziehenden” Partners sollte frühzeitig gegenüber dem Arbeitgeber des Partners kommuniziert werden, damit das Paar ggf. in den Genuss von Unterstützungsmaßnahmen kommt.

Auch der Unternehmensstandort kann für Paare von Interesse sein, insbesondere, wenn ein Wohnortwechsel geplant wird. Hier ist es empfehlenswert, die Angebote in der Kommune zu beachten, z.B. in Hinblick auf die Kinderbetreuung. Für Karrierepaare bietet sich darüber hinaus generell das Wohnen in einer Metropolregion an, die einen breit gefächerten Arbeitsmarkt in erreichbarer Entfernung bietet.

Gelegentlich sollten Paare auch in Erwägung ziehen, die Karrierespielregeln im Unternehmen in Frage zu stellen. Gerade hoch qualifizierte Arbeitnehmer können es sich leisten, offensiver gegenüber dem Arbeitgeber aufzutreten, um z.B. eine Reduzierung der Arbeitszeit einzufordern und auf diesem Wege einen Beitrag zur Transformation der Karriere-Kultur zu erwirken (Vorbildfunktion).

Schließlich müssen Frauen ihre Partner mehr in die Pflicht nehmen, Verantwortung im Vereinbarkeitsmanagement zu übernehmen: Die habitualisierten Praxen der Geschlechter legen es vielen Frauen noch immer nahe, Letztverantwortung für ihre Kinder zu übernehmen, während Männer ihre Ernährerrolle oft für unhinterfragbar halten. Solche Haltungen behindern nicht nur die Alltagsorganisation der Paare, sondern haben oft auch langfristig negative Folgen für die Karrieren von Frauen. Das Infragestellen herkömmlicher Geschlechterpraxen kann deshalb aus der Perspektive der Sicherung der Karrierechancen von Frauen gar nicht früh genug beginnen und sollte sich in der Alltagspraxis der Paare im konsequenten und stetigen Ausloten von Entscheidungsspielräumen und Handlungsoptionen zeigen. Dies kann konkret bedeuten, dass Paare Entscheidungen treffen, die sich möglicherweise erst langfristig, dafür aber nachhaltig, amortisieren, z.B. indem bewusst in die Karriere des Partners investiert wird, der die schlechteren beruflichen Chancen hat.

Literatur

Cornelißen, Waltraud/Rusconi, Alessandra/Becker, Ruth (Hrsg.) (2010): Berufliche Karrieren von Frauen. Hürdenläufe in Partnerschaft und Arbeitswelt. Wiesbaden

Link zum vollständigen ArtikelDJI Online-Thema 2010/12

Link zum Projekt
Karriereverläufe von Frauen