Unsere Matronen – aus Sicht eines Machos Teil II

Der Stoff, aus dem Hollywood seine Träume schmiedet, das ist das Leben von „Queen Liz“. Die ehemalige Telefonistin Liz Mohn (70) ist die mächtige Herrscherin über den Bertelsmann-Konzern, eines der größten Medienhäuser der Welt. „Macho“ Ulrich Gross über die ungekrönte Königin von Gütersloh, deren Wille in Hamburg wie in London und New York Gesetz ist.

Wäre sie bei Bertelsmann nicht auch Chefin von RTL, man hätte sich zwischen Unterföhring (SAT 1), Köln (RTL) und New York (Random House) längst die Finger bei Drehbüchern über ihr außergewöhnliches Leben wund geschrieben, um das spektakuläre Werden der Medien-Zarin zu beschreiben und für die Leinwand oder Fernsehen zu inszenieren. Denn Liz Mohns Leben hat alle Zutaten, aus denen Hollywood und die deutschen TV-Sender ihren Honig saugen.

 Wer üppige TV-Opern über Sex-Versenderin Beate Uhse und Teddy-Mama Margarete Steiff dreht, der kann das Märchen aus der westfälischen Provinzstadt Gütersloh nicht übersehen. Hier sehen wir die 17-jährige Kleinstadt-Schönheit Elisabeth Beckmann  im weißen Wollkleid, das ihre Mutter genäht hat, 1963 auf einer Betriebsfeier. Alle spielen ausgelassen die „Reise nach Jerusalem“ – und Elisabeth verliert bei dem Spiel ebenso wie ihr 20 Jahre älterer Chef Reinhard Mohn. Aber beide gewinnen zugleich eine außergewöhnliche Liebe und Zukunft.

Bei der Reise nach Jerusalem die Liebe gefunden

Das Mädchen aus der Telefonzentrale hatte seine Ausbildung zur Zahnarzthelferin abgebrochen. Ihr Vater war Handwerksmeister, wurde aber invalide, nachdem ihn ein Blitz getroffen hatte. Ihre Mutter Josefa musste die begeisterte Pfadfinderin Elisabeth und ihre vier Geschwister als Hutmacherin allein durchbringen.

 Sie und ihr Chef kamen sich in dieser Nacht der Betriebsfeier so nahe, dass sie bald die heimliche Geliebte des Druckereibesitzers und Inhaber eines 1835 gegründeten Verlags für christliche Aufbauliteratur wurde. „Von da an war nichts mehr so, wie es früher war“, schreibt Liz Mohn später. Der Geliebte war verheiratet, aber das störte beide wenig. Doch Mohn ließ sich von seiner Frau Magdalena erst scheiden, nachdem seine eigene Mutter gestorben war. In der erzkonservativen Kleinstadt Gütersloh waren damals ehebrecherische Verhältnisse verpönt. 

Erst 1982 heiratete Mohn seine Elisabeth Scholz. So hieß sie seit einer Scheinehe 1963 mit dem Kinderbuch-Lektor Joachim Scholz, obwohl sie mit ihrem Geliebten drei gemeinsame  Kinder, Brigitte (geb. 1964), Christoph (geb. 1965) und Andreas (geb. 1968) hatte. Ihr angetrauter Ehemann tanzte nach ihrem Willen und dem Mohns: wenn der Liebhaber als „Onkel Reinhard“ zu Besuch kam, musste der Ehemann im Keller schlafen.

 Im Jahr der Eheschließung, nach fast zwei Jahrzehnten Doppelleben, adoptierte der inzwischen 61-jährige Verleger seine Kinder, aber zu einem halbwegs normalen Familienleben war er weiter nicht bereit. Liz Mohn wohnte mit ihren Kindern in einer Villa, in der sie Reinhard Mohn nur gelegentlich besuchte. Sonst lebte er allein auf einem Bauernhof. Andreas Mohn, der Benjamin, lüftete das sorgfältig gehütete Familiengeheimnis der ersten Familie Güterslohs. In einem Artikel im Wallstreet Journal plauderte er über die eigenartige Romanze seiner  Eltern.

Nach der späten Hochzeit hat es Liz Mohn geschafft! Endlich! Von ganz unten nach ganz oben. Sie könnte jetzt ihr Leben als Hausfrau mit ihren Kindern genießen. Aber die Ex-Telefonistin entwickelt Lerneifer und Ehrgeiz und beginnt ein außergewöhnliches Frauenleben. „Ich habe die Chance gehabt, etwas daraus zu machen. Ehefrau und Mutter bleiben, wie bei vielen Frauen meiner Generation üblich, passt nicht zu meinem Typ. Man bekommt eben etwas in die Wiege gelegt,“ sagt sie in einem Interview mit der ZEIT.

 Mein Mann war mein Coach

  „Ich war in den ersten Jahren wie ein Schwamm, der alles aufsog“, erinnert sie sich. „Mein Mann war mein Coach“. Sie versucht sich zunächst mit Damenkränzchen für die Gattinnen der leitenden Angestellten ihres Mannes, versucht sich aber schon bald in anspruchsvolleren Initiativen. Sie gründet 1987 den Gesangswettbewerb „Neue Stimmen“ für junge Opernsänger auf Initiative von Maestro Herbert von Karajan. „Durch ihn habe ich die klassische Musik entdeckt“, erinnert sie sich. 1993 ruft sie die Stiftung „Deutsche Schlaganfall-Hilfe“ ins Leben – das Gesellenstück auf ihrer Laufbahn zur Unternehmerin. 

 Die Stiftung setzt sich für Aufklärung und Verbesserung diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen bei Schlaganfällen ein. 250.000 bis 300.000 Menschen erleiden jährlich einen Schlag, jeder fünfte Patient stirbt an den Folgen. Nur ein Viertel kann danach überhaupt wieder arbeiten. ‚Stroke Units’ nennen die Stiftungsvertreter die neuen Einrichtungen mit medizinische Spezialisten, die  Opfern von Schlaganfällen schnell und wirksam helfen können. Anlass für die Initiative war eine rätselhafte Erkrankung ihres Sohns Andreas, der plötzlich mit 15 Jahren halbgelähmt war. „Ich hatte Todes-Angst um mein Kind“, schreibt sie in ihrem Buch „Schlüsselmomente“. Denn die Ärzte konnten die Ursache nicht feststellen, nach wenigen Monaten verschwindet die Behinderung ebenso plötzlich wie sie aufgetreten war. Aber Liz Mohn zieht die Konsequenzen, gründet die Stiftung und hat seitdem vielen tausend Patienten geholfen. Verona Pooth agiert als „Maskottchen“ der Schlaganfall-Hilfe und beweist so einmal mehr, dass sie intelligenter und gesellschaftlich engagierter ist als sie oft vorgibt.

 „Keine Frau vergibt sich etwas dabei, wenn sie sich weiblich kleidet“

 Die Stiftungsarbeit hat ihr Leben nachhaltig geprägt. Die 70-jährige „Grande Dame“ sieht immer noch blendend aus – auch ein Resultat ihres gesunden Lebens. Der Tag beginnt mit 30 Minuten Joggen und 25 Bahnen Schwimmen im eigenen Pool. Sie pflegt ihre schlanke Figur und trägt gerne Kleider, Röcke und Schuhe mit hohen Absätzen. „Keine Frau vergibt sich etwas dabei, wenn sie sich weiblich kleidet. Ich trage auch sehr gerne hohe Schuhe. Man geht eleganter, ruhiger, aufrechter auf Absätzen. man rennt nicht so wie auf flachen Schuhen“ sagte sie einer Interviewerin  der WELT, die ihr „ladylikes“ Auftreten bewunderte.    

Die „Ober-Matrone“ ( Eine Matrone ist laut Wikipedia eine Frau von Stand, Familienmutter, ehrbare Ehefrau, vornehme Dame, Herrin und Gebieterin) aus Gütersloh entwickelt weitere bedeutende Aktivitäten. Sie gründete im Rahmen der bedeutenden Bertelsmann Stiftung die Business Women School – eine Frühjahrsakademie für weibliche „Next Leaders“, die im Mai 2009 im Hotel Schloss Ziethen bei Berlin erstmalig statt fand. Im intensiven Dialog mit Referentinnen aus verschiedenen gesellschaftlichen Tätigkeitsfeldern können sich die Teilnehmerinnen über Erfolgsmodelle und Konzepte in der Wechselwirkung von Führungskompetenz und Unternehmenskultur austauschen und ihre eigenen Erfahrungen und Hypothesen zum Thema „Positionierung von Frauen in einer Unternehmenskultur des Wandels“ in diese Diskussionsrunden einbringen. In kleinen Lernteams und in Peergroups entwickeln sie praxisnah eigene Ideen zu Aktionsplänen und erarbeiten mit bewährten Instrumenten und Methoden der Business Summer School individuell die eigenen Veränderungswünsche für sich selbst oder die Unternehmenskultur ihrer Firma. Die vierte Business Women School für weibliche „Next Leaders“ findet in diesem Jahr in der Nähe von Frankfurt vom 10. bis 14. September  statt.

„Die meisten Frauen sehen Chancen anders als Männer und warten oft zu lange. Frauen müssen lernen, Möglichkeiten nicht nur zu sehen, sondern auch für sich zu nutzen. Wir brauchen keine starre Quote. Am Ende zählt die Leistung – übrigens für Männer und Frauen“.

„ Ich wollte nicht am Leben meines Mannes vorbeileben“.

Über ihre eigene, beispielhafte Entwicklung zur Chefin eines Konzern mit rund 105 000 Mitarbeitern und etwa 16 Milliarden Euro Umsatz (2010) sagt Liz Mohn der WELT-Redakteurin Dagmar von Taube.“ Ich wollte nicht am Leben meines Mannes vorbeileben. Ich wollte mich gemeinsam mit ihm weiter entwickeln. Das hat unserer Partnerschaft gut getan. Gemeinsamkeiten und die Möglichkeiten, von den Erfahrungen des anderen zu lernen, das sind die entscheidenden Grundlagen für jede Beziehung. Darum ist es auch so wichtig, dass Frauen ihren Beruf ausüben Es dient der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und eines sinnerfüllten Lebens“.

Die Bertelsmann AG ist nicht an der Börse notiert. Die Buchclub-Sparte, die den Namen Bertelsmann europaweit bekannt gemacht hatte, hat inzwischen an Bedeutung verloren. Der Konzern ist in die vier Bereiche Gruner + Jahr Zeitschriftenverlag, RTL Group, Verlagsgruppe Random House und arvato AG gegliedert. Vorstandsvorsitzender ist Thomas Raabe, dem Aufsichtsrat präsidiert Prof. Dr. Gunter Thielen.

Vetorecht in der Machtzentrale

Liz Mohn hat den größten Einfluss im Konzern. Bis zum Alter von 75 Jahren bleibt sie gemäß dem Willen ihres verstorbenen Mannes Vorsitzende der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG), die über alle Stimmrechte verfügt. Die BVG ist die eigentliche Machtzentrale des Konzerns. Liz Mohn kann mit ihrem Vetorecht alle Entscheidungen blockieren. Ihre Kinder Christoph und Brigitte haben ebenfalls in der BVG Sitz und Stimme. Die Privilegien der Sprecherin der Familie reichen noch weiter: bis zum Alter von 80 Jahren kann sie an den BVG-Sitzungen teilnehmen – allerdings ohne Stimmrecht.  Wer ihr dann im Jahre 2016 an der Spitze des Konzerns folgt, kann sie allein bestimmen. Ihre Tochter Brigitte  (48) folgte Liz Mohn als Präsidentin der Deutschen Schlaganfall-Hilfe. Die international erfahrene Marketingexpertin und ehemalige McKinsey-Beraterin hat Politik, Kunstgeschichte und Germanistik studiert und an der privaten Universität Witten-Herdecke  promoviert. Ihrem Bruder Christoph, der in Münster Betriebswirtschaftslehre studiert hat,  geben Insider weniger Chancen, weil er als Chef der Internetfirma Lycos einen Fehlstart hingelegt hat. Aber bis über die Nachfolge der Queen von Gütersloh entschieden werden muss, wird noch viel Zeit vergehen. Bruder Andreas lebt als freischaffender Künstler in Hamburg. Er ist  ebenso wie die drei Kinder aus der ersten Ehe Reinhard Mohns, Johann Mohn, Susanne Srowig und Christians Coesfeld, am Medienkonzern beteiligt, aber nicht am Management. 

Enge Freundin der Kanzlerin

In einem Porträt im SPIEGEL wird Liz Mohn als machtbewusst und durchsetzungsstark charakterisiert,. „Sie liebt das Blitzlichtgewitter“, heißt es.  Deutschlands derzeit umstrittenster Manager, Thomas Middelhoff, wurde von ihr als Vorstand kalt abgesägt. Seine Rolle bei Quelle und Karstadt/Arcandor beschäftigt viele Gerichte. Dabei wird auch geklärt, ob er zum Ruin von Madeleine Schickedanz, einem weiteren (oder ehemaligen) Mitglied der aktuellen Matronen-Clique, beigetragen hat.

Liz Mohn gilt als enge Freundin von Kanzlerin Angela Merkel. 2006 erhielt sie den Europäischen Stifterpreis für Kultur-Mäzene. Im selben Jahr das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse sowie den Charity-Bambi. Der Club of Rome nahm sie 1999 als erste Frau aus Deutschland auf. Das Land Berlin zeichnete sie mit seinem Verdienstorden aus. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft verlieh ihr den Weltwirtschaftlichen Preis als Vordenkerin einer weltoffenen marktwirtschaftlichen Gesellschaft, die auch für soziale Gerechtigkeit eintritt. Unter ihren vielen sonstigen Auszeichnungen und Ehrungen sind noch besonders zu erwähnen die „Goldmedaille der Balearen“ für den Aufbau einer Bibliothek in Alcudia und die „Große Victoria für Integration“ der Deutschlandstiftung Integration. Sie schrieb zwei Bücher, „Liebe öffnet Herzen“ und „Schlüsselmomente – Erfahrungen eines engagierten Lebens“ sowie mit Ursula von der Leyen „Familie gewinnt.“

Wer kann über dieses Thema authentischer schreiben als Liz Mohn, die in ihrer Familie alles gewinnen konnte?