Auszeichnung für veränderte Proteinfaltung

Die amerikanische Molekularbiologin Prof. Susan Lindquist vom Whitehead Institut für biomedizinische Forschung in Cambridge, Massachusetts, USA, ist in Berlin mit der Max-Delbrück-Medaille geehrt worden. Die Forscherin, die auch eine Professur am Massachusetts Institute of Technology (MIT) innehat, wird damit für ihre Forschungen über die Faltung von Proteinen ausgezeichnet.

„Prof. Lindquist habe gezeigt, dass sich Änderungen bei der Proteinfaltung grundlegend und unerwartet auf die Entstehung von Krankheiten, die Evolution als auch auf die Nanotechnologie auswirken können“, begründete die Jury die Vergabe. „Sie entwickelte Hefezelllinien, die als ‚lebende Reagenzgläser’ fungieren, mit deren Hilfe sie den Einfluss der Proteinfehlbildung auf die Krankheitsentstehung untersuchen konnte“. Die Laudatio hielt der Proteinforscher Prof. Erich Wanker vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch.

Die Proteinfehlfaltung spielt bei schweren neurologischen Erkrankungen, darunter der Parkinson und der Huntington`schen Krankheit, eine große Rolle. Professor Lindquist, die auch Howard Hughes Medical Institute Investigator ist, und ihren Kollegen gelang es, Folgen der Parkinson`schen Krankheit in Hefezellen zu reproduzieren. Sie fahndet zudem nach Substanzen, mit denen die Erkrankung verhindert bzw. behandelt werden soll.

Zweischneidiges Schwert
Professor Lindquist erforscht in diesem Zusammenhang auch sogenannte Hitzeschockproteine. Das ist eine Gruppe molekularer “Anstandsdamen“, die dafür sorgt, dass sich andere Proteine korrekt falten und ausbilden. Die Hitzeschockreaktion ist einer der ältesten Mechanismen. Sie ist quasi in das evolutionäre Gedächtnis eingemeißelt. Gesteuert wird sie von dem Hitzeschock-Transkriptionsfaktor HSF1. Er reguliert zahlreiche Wachstumsvorgänge und verhindert unter anderem das Zusammenklumpen von Proteinen, das mit der Alterung sowie mit neurodegenerativen Prozessen in Verbindung gebracht wird. „Schaltet man bei Mäusen HSF1 aus, sind sie seltsamerweise vor bestimmten Krebsarten geschützt. Was die Verhinderung tödlicher Krankheiten betrifft, ist die Hitzeschockreaktion somit ein zweischneidiges Schwert“, betonte Prof. Lindquist.

Die Max-Delbrück-Medaille wird seit 1992 jährlich an einen herausragenden Wissenschaftler im Rahmen der „Berlin Lecture on Molecular Medicine“ vergeben, die der Preisträger hält und die das MDC mit anderen Berliner Forschungseinrichtungen* und der Bayer Schering Pharma AG veranstaltet. Professor Lindquist sprach über „HSF und der Balanceakt zwischen Neurodegeneration und Krebs“. Sie ist nach Prof. Robert Weinberg (1996), Prof. Eric S. Lander (2001) und Prof. Rudolf Jänisch (2006) das vierte Fakultätsmitglied des Whitehead Instituts, das diese Medaille erhält.

Prof. Lindquist erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen. Erst kürzlich wurde ihr von Präsident Barack Obama die „National Medal of Science“, die höchste wissenschaftliche Auszeichung der USA, zuerkannt. Sie war Albert D. Lasker Professor für medizinische Wissenschaften (1999 – 2001), und davor ab 1978 Biologieprofessorin an der Universität Chicago. Sie promovierte 1976 in Biologie an der Harvard Universität in Cambridge, USA und wurde 1997 sowohl zum Mitglied der Amerikanischen Akademie für Kunst und Wissenschaft als auch der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften gewählt.

Die Max-Delbrück-Medaille ist benannt nach dem Physiker, Biologen und Nobelpreisträger (1969) Max Delbrück (1906 Berlin, Germany – 1981 Pasadena, California, USA), der als Mitbegründer der Molekularbiologie gilt. Nach ihm ist das nach dem Fall der Mauer in Berlin-Buch 1992 gegründete Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) benannt, das zur Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren gehört. Der erste Träger der Medaille war der spätere Medizinnobelpreisträger Prof. Blobel.

*Bayer Schering Pharma, Charite – Universitätsmedizin Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin (HU), Freie Universität Berlin (FU), Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP), Robert Koch Institute (RKI), Max-Planck-Institut für molekulare Genetik, Berlin, Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie, Berlin, Deutsches Rheumaforschungs-Zentrum Berlin (DRFZ).