Quote für Aufsichtsräte? – HWR macht Frauen fit.

Eine gesetzliche Quote für Frauen in Aufsichtsräten hat in der EU derzeit keine Chance. Die Kommission konnte sich jüngst nicht auf einen entsprechenden Gesetzentwurf einigen. Berliner Politikerinnen und Wissenschaftlerinnen sind da einen Schritt weiter, und die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR) arbeitet schon jetzt daran, gezielt Frauen für Aufsichträte fit zu machen.

Die Frauenquote für Aufsichtsräte hat es immerhin inzwischen auf die politische und mediale Agenda geschafft. Eine ge¬setzliche Quotierungsregel für Aufsichtsräte sei nur eine Frage der Zeit, ist Ulrike Helwerth vom Deutschen Frauenrat überzeugt. Denn in der Debatte darum formiere sich auch in Deutschland zum ersten Mal eine breite Allianz von Gruppen, die kein anderes Thema sonst so zusammenbringen würde.

Skandalpotenzial sieht auch Helga Hentschel, Leiterin der Abteilung Frauen und Gleichstellung in der Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und Frauen, und genau darin eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt etwas zu bewegen. Die ambitionierte Quotenregelung sei mehr als ein Karriereinstrument für die weibliche Führungselite. „Da es hierbei ganz allgemein um Gerechtigkeit geht, zieht sie verstärkt andere Debatten nach sich wie die Abschaffung von Mini-Jobs und des Ehegattensplittings oder die Einführung von Mindestlöhnen – mit Folgewirkungen.“

Gleichstellungsthemen, bei denen es um arbeitslose und geringfügig beschäftigte Frauen geht, haben derzeit keine Konjunktur, sind viel zu komplex und unattraktiv, um über die Medien in die öffentliche Wahrnehmung gerückt zu werden. Doch allein die flächendeckende Umsetzung der Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen würde sich auf einen Schlag ökonomisch und gesellschaftlich sofort bezahlt machen, denn der Anteil von Frauen im Niedriglohnsektor beträgt nach aktuellen Studien rund 70 Prozent. Und das sind zum Großteil qualifizierte Beschäftigte, teilweise sogar mir Hochschulabschluss.

„Bündnispartner lassen sich für das Problem prekärer Beschäftigung von Frauen vor allem mit ökonomischen Argumenten finden. Es geht um untergenutztes Arbeitspotential und die Entlastung der öffentlichen Haushalte“, sagt Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Sigrid Betzelt von der Hochschule für Wirtschaft (HWR) Berlin. Die Pläne von EU-Kommissarin Viviane Reding, europaweit eine Frauenquote in Aufsichtsräten großer Unternehmen und Vorständen zu etablieren, sei wichtig und ein Erfolg an sich, aber man dürfe nicht übersehen, dass andere dringende Fragen von der Debatte um die Quote dadurch verdrängt zu werden drohen. Vielmehr müsse gemeinsam gestritten werden für mehr Gleichstellung in allen Bereichen.

Das Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung in Berlin ist deutschlandweit das einzige Forschungsinstitut an einer Hochschule, an dem Wissenschaftler/innen aus Volkswirtschafts- und Betriebswirtschaftslehre, Soziologie, Informatik und Recht disziplinenübergreifend zu den Themenschwerpunkten Ökonomie, Recht und Verwaltung arbeiten. So diskutierten im aktuellen Werkstattgespräch am vergangenen Donnerstag Expertinnen aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft darüber, wie es gelingen kann, von den Quotenstreiter/innen zu lernen, die Einseitigkeit des gegenwärtigen Gleichstellungsdiskurses aufzu¬brechen und die ganze Bandbreite des Themenkomplexes politisch sichtbar zu machen.

Gibt es in Deutschland zu wenige qualifizierte Frauen für Aufsichtsräte und Vorstände von Unternehmen? Forscherinnen des HWR-Instituts entwickeln und erproben derzeit ein maßgeschneidertes Weiterbildungsprogramm für Frauen, die bereits in Aufsichtsräten tätig sind oder die ein solches Mandat übernehmen wollen, um dieses weit verbreitete Argument entkräften zu können.

„Wir brauchen gesetzliche Regelungen, sonst klappt es nicht“, konstatierte die Berliner Gleichstellungspolitikerin Helga Hentschel. Darin waren sich alle Teilnehmerinnen der Podiumsdiskussion einig und hatten damit den Kommissionsvertreter/innen in Brüssel und Straßburg etwas voraus.

http://www.harriet-taylor-mill.de
http://www.hwr-berlin.de