Nachholbedarf bei familienfreundlichen Rahmenbedingungen

Ein Potenzial von 1,5 Millionen Müttern bleibt ungenutzt, weil die Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie seitens Politik und Gesellschaft immer noch mangelhaft sind, so Christiane Flüter-Hoffmann auf einer Veranstaltung des Kölner Bündnis für Familien. Die Politik propagiert familienfreundliche, flexible Arbeitszeiten. Aber wie sieht die unternehmerische und familiäre Wirklichkeit aus?

Mehr Flexibilität und Kinderbetreuungsmöglichkeiten gefragt

 Christiane Flüter-Hoffmann, Senior Researcher und Projektleiterin „Betriebliche Personalpolitik“ am Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW)  weiß aus zahlreichen Studien: Über 70 Prozent der Eltern mit minderjährigen Kindern wünschen sich bessere Kinderbetreuungs-Möglichkeiten und mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten. Familie und Beruf lassen sich in erster Linie nur durch familiäre Unterstützung, sprich Großeltern oder Verwandte, stemmen. Das gaben fast 60 Prozent berufstätiger Eltern an.

 Politik hinkt hinterher

Tatsache ist, dass bei kommunalen Kinderbetreuungs-Möglichkeiten für 0-2-Jährige / 3-5-Jährige eine Diskrepanz zwischen neuen und alten Bundesländern besteht. In der ehemaligen DDR war es normal, dass Mutter arbeitete und das Kind in einer Tageskrippe versorgt wurde. Entsprechend hoch, d.h. +/- 50 Prozent , ist die Betreuungsquote auch heute noch. „Das Schlusslicht bildete Anfang 2010 NRW mit 14 Prozent“,  erläuterte Flüter-Hoffmann mit Hinweis auf die von der Politik vorgegebene 30 Prozentquote.

 Wie familienfreundlich ist die deutsche Wirtschaft?

 Alle drei Jahre führt das IW im Auftrag des Familienministeriums und der Spitzenverbände, BDA, BDI, DIHK und ZDH, eine repräsentative Unternehmensbefragung durch zum Thema: „Wie familienfreundlich ist die deutsche Wirtschaft?“. Die letzte Befragung fand 2009 statt. „Gegenüber 2003 hat der Faktor „Familienfreundlichkeit“ in den Unternehmen ganz erheblich an Bedeutung gewonnen. Mehr als 70 Prozent gaben an, individuell zu vereinbarende und flexible Arbeitszeiten anzubieten. Die sogenannte Vertrauensarbeitszeit hat gegenüber 2003 mehr als 50 Prozent zugenommen und Telearbeit sogar um das Dreifache, allerdings auf immer noch niedrigem Niveau“, führte Flüter-Hoffmann aus.

 Familiäre Arbeitsteilung kaum verändert

 Als wichtigstes Motiv wurde von den Unternehmen genannt: „Wir führen familienfreundliche Maßnahmen ein, um qualifizierte Mitarbeiter zu halten oder zu gewinnen.“ Der demografische Wandel und der damit verbundene Fachkräftemangel hat offensichtlich bereits seine Spuren hinterlassen. Für die Unternehmen haben familienfreundliche Maßnahmen erwiesenermaßen auch Vorteile. Sie sind betriebswirtschaftlich interessant, weil sie zu geringerer Fluktuation, niedrigerem Krankenstand und höherer Produktivität führen, was die Kosten senkt. Anders verhält es sich, wenn man die familiäre Arbeitsteilung bei der Kinderbetreuung und der Pflege von Älteren unter die Lupe nimmt. Den Hauptanteil stemmen immer noch die Frauen. „Wahre Chancengleichheit kann nur erzielt werden, wenn sich die Rollenverteilung grundlegend ändert – für beide Geschlechter“, so das Fazit von Flüter-Hoffmann. Damit bleibt die Chancengleicheit  immer noch eine Zukunftsvision.