Frauen im Verwaltungsrat als Erfolgsrezept

In den vergangenen sechs Jahren entwickelte sich der Aktienkurs von Unternehmen mit mindestens einer Frau im Verwaltungsrat besser als von anderen Firmen. Dies zeigt die aktuellste Studie des Credit Suisse Research Institute.

In der aktuellsten Studie des Credit Suisse Research Institute wird der Zusammenhang zwischen Gender Diversity und Unternehmenserfolg aus globaler Sicht betrachtet. Untersucht wurden fast 2400 Unternehmen, die seit 2005 Frauen im Verwaltungsrat bzw. eine rein männliche Führung haben. 

Frauen im Verwaltungsrat als Erfolgsrezept

Die Haupterkenntnis der Studie besteht darin, dass in den vergangenen sechs Jahren Unternehmen mit mindestens einer Frau im Verwaltungsrat beim Aktienkurs besser abschnitten als vergleichbare Firmen ohne weibliche Verwaltungsratsmitglieder. Deutliche Unterschiede bestehen zwischen der relativen Performance von 2005 bis 2007 und dem Kursverlauf nach 2008. Mitte des Jahrzehnts, als das Wirtschaftswachstum relativ robust war, entwickelte sich der Aktienkurs von Unternehmen mit bzw. ohne Frauen im Verwaltungsrat ähnlich. Fast die gesamte Outperformance fiel gemäss der rückblickenden Analyse in der Zeit nach 2008 an, als sich das makroökonomische Umfeld eintrübte und die Volatilität zunahm. Dies bedeutet, dass Aktien von Firmen mit höherer Gender-Diversität im Allgemeinen ein defensiveres Profil aufweisen: Sie schneiden im Allgemeinen in Baisse-Phasen am besten ab. Zudem weisen solche Unternehmen über den Gesamtzyklus höhere durchschnittliche Eigenkapitalrenditen, weniger volatile Erträge und niedrigeren Verschuldungsgrad auf. Zusammenfassend dürfte die Regel, dass Verwaltungsräte mit Frauen eine relative Outperformance erzielen, nicht in jedem Fall zutreffen. Es ist aber wahrscheinlich, dass ein ausgewogenerer Verwaltungsrat für etwas weniger Volatilität und etwas mehr Ausgeglichenheit über eine Wirtschaftszyklus sorgt.

Weshalb wirken sich Frauen im Verwaltungsrat positiv auf die Aktienperformance aus?

Im Bericht werden sieben Hauptgründe genannt, weshalb ein Zusammenhang zwischen Gender Diversity und einem vorteilhafteren Kursverlauf bestehen könnte: (1) Signal eines erfolgreichen Unternehmens Die Ernennung von Frauen in den Verwaltungsrat scheint eher ein Anzeichen dafür, dass ein Unternehmen bereits Erfolg hat, als dafür, dass eine Steigerung notwendig ist. Die Analyse des Research Institute zeigt nämlich, dass vor allem grössere Unternehmen, die definitionsgemäss bereits erfolgreich sind, Frauen in den Verwaltungsrat  berufen. Das deutlich bessere Abschneiden von Unternehmen mit Frauen in der Leitung, selbst bei einem auf Grossunternehmen beschränkten Vergleich, spricht jedoch dafür, dass nicht nur die Firmengrösse eine Rolle spielt.
(2) Leistungssteigerung aller Mitglieder des Verwaltungsrats
Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass eine grössere Vielfalt in der Leitung (auch was das Geschlecht betrifft) den Unternehmenserfolg fördern kann. Forschungsarbeiten von Professor Katherine Philips an der Columbia University weisen darauf hin, dass auch die Leitungsmitglieder, die in einer Gruppe zur Mehrheit gehören, ihre Leistung steigern, wenn eine Minderheit mitarbeitet, womit im Durchschnitt ein besseres Ergebnis in vielfältigeren Kontexten resultiert.
(3) Besserer Mix von Führungsqualitäten
McKinsey und die NASA haben verschiedenste Studien zu Führungsqualitäten durchgeführt und gezeigt, dass es zu den Stärken von Frauen gehört, klare Verantwortlichkeiten festzulegen und Mitarbeitende als Mentorin oder Coach zu betreuen. Dies dürfte die Annahme stützen, dass Gender Diversity auf Verwaltungsratssebene zu vielseitigeren Führungsqualitäten in einem Unternehmen beiträgt.
(4) Zugang zu grösserem Talentpool
Daten der UNESCO zeigen, dass 2010 weltweit 54 Prozent der Hochschulabsolventen Frauen waren. Im Jahr 2000 hatte der Durchschnitt noch bei 51 Prozent Frauen gelegen. Der Trend hin zu einem noch höheren Anteil von Hochschulabsolventinnen scheint sich fortzusetzen, wenn der Erfolg von Mädchen auf der Primar- und Sekundarstufe als Massstab dient. Gemäss diesen Hochschulstatistiken erschliessen sich Unternehmen mit mehr Gender Diversity somit den grösstmöglichen Talentpool.
(5) Besseres Verständnis der Konsumenten
In der Regel entscheiden Frauen über Haushaltsausgaben. Deshalb leuchtet es ein, dass Unternehmensleitungen mit weiblichen Mitgliedern die Vorlieben der Kunden besser kennen. Entsprechend ist der Frauenanteil in Branchen mit direktem Kontakt zu den Konsumenten bereits heute höher.
(6) Verbesserte Corporate Governance
Ungewöhnlich einig ist man sich in der Forschung, dass es Verwaltungsräten mit Frauen eher gelingt, hohe Anforderungen bezüglich Unternehmensführung (Corporate Governance) und sozialen Gesichtspunkten (Social Governance) zu erfüllen. Die Analyse der im MSCI AC World vertretenen Titel durch das Research Institute ergab, dass Unternehmen mit Frauen im Verwaltungsrat tendenziell weniger hoch verschuldet sind als vergleichbare Unternehmen ohne weibliche Verwaltungsratsmitglieder. Ein niedrigere relative Verschuldung erwies sich in den vergangenen vier Jahren als aussagekräftiger Indikator für eine überdurchschnittliche Entwicklung des Aktienkurses, mit einer durchschnittlichen Outperformance von 2,5 Prozent pro Jahr in den vergangenen 20 Jahren und 6,5 Prozent pro Jahr in den letzten vier Jahren.

Gender Diversity und Senior Management
 

Gender Diversity im Senior Management Team ist aus drei Gründen zu einem zunehmend wichtigen Thema geworden:

  • Der Frauenanteil in Verwaltungsräten ist zwar nach wie vor tief, steigt jedoch. Lediglich 41 Prozent der im MSCI ACWI vertretenen Unternehmen hatten 2005 Frauen im Verwaltungsrat, Ende 2011 waren es bereits 59 Prozent.
  • Staatliche Vorgaben in diesem Bereich werden häufiger. In den vergangenen 5 Jahren haben 7 Länder Bestimmungen erlassen, die Frauen in Verwaltungsräten vorschreiben, 8 Länder haben nicht-zwingende Ziele festgelegt. In China könnte gegen Ende 2012 sogar eine Frau in den mächtigen neunköpfigen Ständigen Ausschuss des Politbüros ernannt werden.
  • Interessanterweise hat sich die Debatte über Gender Diversity von einer Frage der Fairness und Gleichberechtigung zum Aspekt der Leistungssteigerung verschoben. Falls Gender Diversity im Verwaltungsrat tatsächlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass ein Unternehmen erfolgreich arbeitet, würde sich ein solcher Ansatz unabhängig von staatlichen Vorgaben aufdrängen.

Quelle CreditSuisse