Wir brauchen ein neues Führungsdesign

Die jetzigen Führungskräfte-Bilder sind nach den Anforderungen der neunziger Jahre gestaltet: Höher, schneller, weiter. Sie sind zu 100 Prozent auf den Mann mit Familienbetreuung zugeschnitten. Für jemanden, der bereit ist, 12 bis 14 Stunden zu arbeiten, und auch am Wochenende bei Fuß steht. Von Sabine Asgodom

Keiner fragt deshalb:

-         Wer bügelt die Hemden/Blusen,
–         wer packt den Koffer aus  und ein;
–         wer kümmert sich um die Kinder,
           wenn er auf Dienstreisen ist;
–         wer besorgt das Geschenk für Tante Monika,
–         wer organisiert den Umzug bei einem Jobwechsel,
–         wer tröstet den Teenager bei Liebeskummer
–         wer bucht den Urlaub und
–         wer bringt den Hund zum Tierarzt.

Jetzt haben wir plötzlich ehrgeizige Frauen, die das Zeug zur Führungskraft haben. Die teilen sich auf in drei Gruppen:

Die erste Gruppe opfert ihr persönliches Glück der Karriere und verzichtet auf Familie (40 Prozent aller weiblichen Führungskräfte hat keine Kinder).

Die zweite Gruppe organisiert sich mit Kinderfrau und Kita, Internat und Hausmann, lebt zwei Leben in einem. Immer am Rande des Burnouts.

Die dritte und größte Gruppe hat sich aus dem „Rat Race“ verabschiedet. Nein, sie möchten nicht leben wie ihre Chefs (und wenigen Chefinnen). Umfrage in meinen Seminaren „Durchsetzungsstrategien für Frauen“: 90 Prozent sagen „Ich möchte keine (weitere) Karriere machen“. Grund: Kinder, Leben, Eltern, Teilzeit, Yogakurse, und ganz vehement: Verachtung der „Politik“ in Unternehmen, blöde Machtspiele, hinterhältige Attacken, Hahnenkämpfe und Platzhirschgehabe. Keine Lust auf Männerspiele.

Das schlimme: Diese Frauen kann ich verstehen. Das noch viel schlimmere: Unternehmen verlieren das Potenzial und die Energie dieser Frauen! Das ist unverzeihlich! Dumm und gefährlich.

Hier hilft es gar nichts, nach den Männern nun die Frauen zu beschimpfen. Feigheit, Bequemlichkeit, Latte-Macciato-Mütter –  das gilt vielleicht für einen geringen Teil gut situierter Akademiker-Gattinnen. Die meisten Frauen, die ich kenne, sind überaus tüchtig: Sie pflegen neben den Kindern alte Eltern, kümmern sich um die sozialen Gefüge, engagieren sich in Vereinen und Initiativen, wissen noch, dass Leben mehr als Arbeit ist.

Was wir wirklich brauchen, ist ein neues Führungskraft-Design. Wenn wir die gut ausgebildeten Frauen nicht in die bestehenden Führungspositionen hineinpferchen können, dann brauchen wir eben neue Modelle. Wir brauchen Chefsessel, die nicht einengen und die Luft zum Atmen nehmen, sondern Sessel, die Raum schaffen für Kreativität und Freude, anderes Denken und anderes Handeln. So wie uns Autos aus den siebziger Jahren heute furchtbar spießig erscheinen, ist das Denken der letzten Jahrzehnte in Sachen Führungskraft oberspießig, altmodisch und behindernd.

Neues Design heißt neuen Wind in die Chefetagen bringen. Das heißt, sich von eingespielten Männer-Ritualen verabschieden. Na klar, das finden die meisten Männer (und die sich quälenden Frauen) blöd. Warum sollten Frauen eine Sonderrolle bekommen? – Weil es den Unternehmen nützt!!!

Wir brauchen Ideentage, auf den Mitarbeiterinnen ihren Arbeitsplatz als Führungskraft designen können. Aus meiner Erfahrung meine ich wird dazugehören: Flexible Arbeitszeiten, schmalere Verantwortungsbereiche. Ergebnisorientiertes Führen statt der bisherigen „Wie-lange-sitze-ich-mit-meinem-Arsch-in-der-Firma-Ideologie“, Homearbeitsplätze tageweise, eine neue Meetingskultur: gestrafft, konzentriert, und: zu Zeiten, in denen nichts Wichtigeres anliegt, wie z.B. der Theaterauftritt des Kindes um 16 Uhr. Wertschätzung des Frauenblicks auf Projekte: Was bringt es, wie können wir es effizienter gestalten, welcher Chichi muss weg? Eine neue Geschäftsreisen-Kultur mit Delegation.

Wie sollen wir das alles bezahlen? Ich sehe die Chefdenker der Nation schon mit den Augen rollen. Die Lösung ist ganz einfach: Frauen erwirtschaften mehr Profit und haben niedrigere Ansprüche an Gehälter. Nicht, dass ich letzeres gut finde, aber es ist ein Zeichen an alle. Tausche Sinn und Lebensfreude gegen Status und Reichtum. Und bekomme ein Führungsverhalten dazu, dass den Menschen wieder mehr in den Mittelpunkt rückt (Sattelberger nennt das „Management.3.0), das Miteinanderreden und vor allem das Zuhören verstärkt, das Geborgenheit schafft und deshalb gute Ergebnisse erzielt. Genau deswegen werden viele Männer versuchen, diese Veränderungen zu verhindern.

Apropos Männer. Früher habe ich gesagt „Management ist frauenfeindlich“, heute sage ich „Management ist menschenfeindlich“. Also, auch Männer werden von dem neuen Führungs-Design profitieren. Manche wissen es auch schon.

Also, die Unternehmen müssen sich entscheiden, was sie wollen: Begabte und fleißige Frauen verlieren – oder von ihrer Arbeitsweise profitieren? Let’s design!

Sabine Asgodom ist Trägerin des Verdienstkreuz der Bundesrepublik
Deutschland. Sie ist anerkannt als „Professional Member“ der GSA German
Speakers Association www.germanspeakers.org, Mitglied der Hall of Fame (HoF) und zertifiziert als Certified Speaking Professional (CSP).