Genügsame Herrenclubs: DAX-Konzerne verzichten auf Milliarden Euro

Wegen ihrer Personalpolitik entgehen den größten deutschen Unternehmen alljährlich Gewinne in Milliardenhöhe. Unter Idealbedingungen wären 2009 rund 29,3 Milliarden Euro mehr Gewinn vor Steuern und Zinsen (EBIT) möglich gewesen, errechnete die Personalberatung Leading Women. Der Grund: Unternehmen, bei denen das Top-Management nicht nur mit Männern besetzt ist, arbeiten deutlich rentabler.

Mit mehreren Frauen im Vorstand erwirtschaften Unternehmen im historischen Durchschnitt ein um 56 Prozent höheres EBIT als rein männlich geführte Unternehmen. Trotz dieser Erkenntnis verzichten 27 von 30 DAX-Unternehmen vollständig auf Frauen im Vorstand. Die erste deutsche Mixed Leadership-Konferenz in Hamburg soll helfen, dieses Potenzial zu erschließen.180 Männer und vier Frauen sitzen auf den Vorstandssesseln der 30 DAX-Konzerne. Lediglich Siemens, SAP und Eon arbeiten mit weiblichem Know-how im höchsten Entscheidungsgremium. Selbst das ist eine neue Entwicklung: Drei der vier Damen traten ihren Posten erst im Juli 2010 an.

Mit der zögerlichen Aufnahme von Frauen ins Top-Management vergeben die Unternehmen Umsätze im mehrfachen Milliardenbereich, erläutert Sylvia Tarves, Geschäftsführerin der Personalberatung Leading Women: „McKinsey & Company hat in mehreren Studien nachgewiesen, dass die unterschiedlichen Stärken von Männern und Frauen vereint zu einem messbar größeren Erfolg führen: Ein gemischtes Management erreicht im Schnitt 56 Prozent mehr Vorsteuergewinn und 41 Prozent mehr Eigenkapitalrendite. Wir sehen es daher als unsere Aufgabe, den Wirtschaftsstandort Deutschland durch mehr Mixed Leadership-Unternehmen zu stärken.“

Die ungenutzten Chancen sind groß: So lag das Gesamt-EBIT aller DAX-Konzerne 2009 bei 56,1 Milliarden Euro. 85,3 Milliarden hätten es sein können, wenn man die Studienerkenntnisse auf die Ergebnisse der damals noch 29 männerdominierten Konzerne überträgt. Selbst wenn der Effekt in der Praxis geringer ausfiele als errechnet, sind durch eine veränderte Personalstrategie Mehreinnahmen in Milliardenhöhe möglich. Der Weg zu einem höheren Frauenanteil im Top-Management ist allerdings noch lang, weiß Tarves: „Steht die Neubesetzung eines Vorstandspostens an, werden meist nur Männer vorgeschlagen. Das ist nicht einmal böse Absicht, sondern ein ganz menschliches Beharren auf dem Vertrauten. Dennoch wirkt dieses Vorgehen langfristig als Wachstumsbremse.“

Um über die Möglichkeiten und Ergebnisse von gemischtem Management zu informieren, veranstaltet Leading Women am 10. Februar 2011 in Hamburg die erste Mixed Leadership-Konferenz. Dort erläutern und diskutieren die CEO von Allianz Global Investors Europe sowie Vorstände von Coca Cola Deutschland, TARGO Bank und Deutsche Post DHL die verschiedenen Aspekte zur Umsetzung und Etablierung von Gender Diversity-Strategien. Zudem hat Leading Women mit McKinsey und der Fraunhofer-Gesellschaft namhafte Partner aus Wirtschaftsforschung und -beratung gefunden, die auf der Konferenz die Vorteile gemischter Führung, aber auch die Hürden auf dem Weg zur neuen Führungskultur aufzeigen.