Erfolgreiche Unternehmen durch Diversity-Management

Die Belegschaften in den Betrieben werden immer weiblicher, älter und bunter. Vielfalt, Respekt und Wertschätzung sind zentrale Werte der Unternehmenskultur, damit die Unternehmen von dieser Unterschiedlichkeit ihrer Beschäftigten profitieren können. Diversity Management ist die entsprechende Umsetzungsstrategie, die viele Unternehmen bereits als Werthaltung eingenommen haben.

Wenn ausländische Arbeitskräfte mit ihren Familien nach Deutschland kommen, benötigen sie nicht nur Unterstützung bei der Suche einer geeigneten Wohnung, von Schulen und Krippen für die Kinder, sondern auch Hilfe beim Papierkram und bei den Behördengängen. Großunternehmen stellen ihren neuen Beschäftigten dafür meist Paten zur Seite. Diese dolmetschen nicht nur auf den Ämtern, sondern zeigen ihnen die Region, erklären den Unterschied zwischen Fasching und Karneval oder Begriffe wie Ostalgie und Ostmoderne. Sie zeigen ihnen die regionalen Spezialitäten bei Kunst, Kultur, Sport oder Essen und Trinken.

Dies ist eine der Maßnahmen des so genannten Diversity Managements, das inzwischen fast alle Großunternehmen praktizieren, so eine Studie von Roland Berger Strategy Consultants, die im Juli 2012 veröffentlicht wurde, wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten:

1. Viele Unternehmen sind vor allem aktiv im Bereich „gender diversity“ und fördern Chancengleichheit, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und von Karriere und Familie, oder besetzen ihre Beförderungsgremien schon gemischt, um mehr Frauen für Führungspositionen zu gewinnen.

2. Ein zweiter Schwerpunkt ist meist „age diversity“, also der Aufbau einer Wertschätzungskultur für Mitarbeiter aller Altersgruppen auf der Grundlage eines positiven Altersbildes (Kompetenzzuwachs statt Defiziterhöhung). Denn junges, innovatives Wissen und Erfahrungswissen sind gleichermaßen wichtig für die Unternehmen. Das Wissen der Älteren soll keinesfalls in Rente gehen.

3. An dritter Stelle in der Prioritätenliste geht es um die „national diversity“ oder „cross culture diversity“, also um international zusammengesetzte Teams oder die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland.

Laut Roland Berger-Experten könnten die Unternehmen in Deutschland jährlich rund 21 Milliarden Euro einsparen, wenn sie Maßnahmen zur Unterstützung der Mitarbeitervielfalt systematisch vorantreiben. Denn gut ausgebildete Mitarbeiter werden so langfristig an das Unternehmen gebunden; dadurch sinken Mitarbeiterfluktuation und die damit verbundenen Kosten. Dabei hat das zentrale Motiv für Diversity Management nach der Berger-Studie nichts mit Kosten zu tun (Grafik). An erster Stelle versprechen sich die Unternehmen davon einen Zugang zu internationalen Märkten, an zweiter Stelle steht die Fachkräftegewinnung. Auch kleine und mittelständische Firmen fragen sich heute schon, wie sie die Attraktivität ihres Unternehmens für ausländische Fachkräfte steigern können. Dazu hat die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände jüngst eine Broschüre erstellt „Willkommenskultur – ein Leitfaden für Unternehmen“. Firmen, die sich heute bereits gut auf vielfältige Belegschaften vorbereitet haben, werden auch von der Fachkräfteoffensive der Bundesregierung profitieren. Sie wirbt zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit um mehr Fachkräfte aus dem Ausland. Slogan und Name der Plattform sind dabei Programm: http://www.make-it-in-germany.com

Solch ein erfolgreiches Unternehmen mit ausländischen Fachkräften ist beispielsweise die BASF SE, die im vergangenen Jahr mit dem neu geschaffenen Diversity Preis ausgezeichnet wurde. BASF belegte den ersten Platz für ein ganzheitliches Diversity-Konzept, bei dem vielfältig zusammengesetzte Arbeitsteams mit unterschiedlichen Erfahrungen, Kompetenzen und Werteverständnis unabhängig von Geschlecht, Hautfarbe, Alter oder Nationalität selbstverständlich sind. Unterrepräsentierte Gruppen wie Frauen in Führungspositionen werden besonders gefördert: Hier lautet das selbst gesetzte Ziel, den Frauenanteil in Führungsfunktionen in Deutschland von 9,8 % (Basisjahr 2010) bis Ende 2020 auf 15 % zu erhöhen.

Für sein Projekt Azubi 50plus der ING-DiBa erhielt die Bank den neuen Diversity Preis in der Kategorie „Innovativstes Diversity-Projekt eines Unternehmens“. Seit 2006 bildet die Bank auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jenseits der 50 Jahre zu „Servicefachkräften für Dialogmarketing“ aus und seit 2011 auch zu „Bankassistenten“ mit dem Schwerpunkt Immobilienfinanzierung – jeweils mit IHK-Abschluss.

Der Diversity Preis wird unterstützt von der Initiative „Charta der Vielfalt“, einer Initiative von Wirtschaft und Politik: Im Dezember 2006 unterzeichneten vier Großunternehmen in Deutschland zusammen mit der Staatsministerin Maria Böhmer diese Charta und verpflichteten sich damit, die Vielfalt ihrer Belegschaft, Kundschaft und Geschäftspartner anzuerkennen, wertzuschätzen und zu fördern – unabhängig von Alter, Geschlecht, Behinderung, Rasse, Religion, Nationalität, ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung und Identität (www.vielfalt-als-chance.de/charta). Inzwischen sind aus den vier Gründungsunternehmen 1.252 Unterzeichner der Charta geworden.

Und das Engagement der Unternehmen für ihr Diversity zahlt sich aus, so die Erfahrungen der Unternehmen selbst, aber auch die Ergebnisse einiger Studien: Im Mutterland des Diversity Managements, den USA, befragte die Gesellschaft für Personalmanagement (SHRM) im Jahr 2005 und 2010 Unternehmen nach ihren Diversity Maßnahmen, was sie damit erreichen wollten und welche Wirkungen sie damit erzielten. Es stellte sich heraus, dass die angewendeten Diversity Maßnahmen in 84 Prozent der Unternehmen (2005: 83 %) “sehr effektiv” oder “effektiv” sind, um die gewünschten Unternehmensziele zu erreichen. Als Ziele hatten sich die Unternehmen gesetzt, ihr Unternehmensimage in der Öffentlichkeit zu verbessern, Kosten einzusparen oder die Beschwerden und Gerichtsprozesse wegen Ungleichbehandlung zu reduzieren (Grafik).

Die Vielfalt der Belegschaften ist aber nicht nur Quell besonderer Inspiration und Innovation, sondern kann auch durch Vorurteile zu Konflikten führen. Trainings zum besseren Verständnis der Kulturen und Seminare zur Überwindung von Kommunikationsbarrieren sowie besondere Teamregeln können erfolgreich dazu beitragen, dass die positiven Aspekte der Potenzialnutzung überwiegen und eine konfliktarme Zusammenarbeit möglich wird.

Diversity Management ist die bewusste Steuerung und Förderung von Vielfalt von Belegschaften in Organisationen. Damit wollen die Unternehmen von unterschiedlichen Sichtweisen, Denkarten, Perspektivenvielfalt oder Methodenpluralität profitieren und so innovativere Lösungen oder kreativere Entscheidungen herbeiführen. Vielfalt bezieht sich dabei auf verschiedene Merkmale:

•    Primär: Alter, Geschlecht, körperliche und geistige Fähigkeiten/Einschränkungen, Religion oder Weltanschauung, soziale Herkunft, nationale Herkunft, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung

•    Sekundär: Familienstand, Elternschaft, Bildungsabschluss, Kompetenzniveau, Lebens- und Berufserfahrung (auch Auslandserfahrung), Einkommen, Arbeitsweise, Lernstil, Gewohnheiten, Freizeitverhalten

•    Tertiär: Aufgaben/Funktion, hierarchische Position, Dauer der Betriebszugehörigkeit

Autorin:

Christiane Flüter-Hoffmann, Studienleiterin Diversity Management beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln