Geschichte des Frauenfußballs

Eduard Hoffmann und Jürgen Nendza: Geschichte des Frauenfußball, bpb-Dossier Von der Weimarer Republik bis zum Gewinn der Europameisterschaft 2005. Frauenfußball musste in Deutschland viele Hürden nehmen, um akzeptiert zu werden.

Die staatsrechtliche Gleichstellung der Geschlechter in der Weimarer Republik ermutigt Frauen, sich selbstbewusst für ihre Belange einzusetzen. Indem sie so genannte „Männersportarten“ wie Radrennen, Handball, Leichtathletik für sich entdecken, wird auch der Sport zum Bereich weiblicher Selbstbestimmung. Doch ob und in welchen Wettkampfsportarten Frauen zugelassen werden sollen, ist umstritten. Viele Sportfunktionäre und Mediziner befürchten durch Leistungssport eine „Vermännlichung der Frau“ – und sehen ihre traditionelle „Wesensbestimmung“ auf die Mutter- und Hausfrauenrolle gefährdet.

Als „Kampfsport“ gilt seinerzeit das Fußballspiel. Quer durch alle weltanschaulichen Lager herrscht männerbündlerische Einigkeit: Fußball und Frauen schließen einander aus. Mitte der 1920er-Jahre spielen im sozialistischen Arbeiter-, Turn- und Sportbund etliche „wilde Mädels“ Fußball und werden empört zurecht gewiesen. „Das Fußballspiel ist ein männliches Kampfspiel“, ereifert sich das Verbandsorgan „Die Freie Turnerin“ und ergänzt: „Was für den Mann Ausdruck der Kampftüchtigkeit ist, das wird hier bei der Frau zur lächerlichen Megärenhaftigkeit, zur Fratze, zur Karikatur. Darum fort damit“. Und die bürgerliche Zeitschrift „Start und Ziel“ propagiert, dass „nur der Mann im Kampf heldische Größe erreichen (kann), das echte Weib nie“. Dennoch sollen zu dieser Zeit beim Arbeitersportverein BSK Fürth bereits 25 Damen die Fußballstiefel geschnürt haben.

Aus
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Aus „Sport und Sonne“, Nr. 6, 1925

Erst 1930 gründet die couragierte Metzgerstochter Lotte Specht mit dem 1.DFC Frankfurt Deutschlands ersten Damenfußballclub. Unter Anleitung eines Trainers wird zweimal wöchentlich trainiert. Doch werden die Kickerinnen als „Mannsweiber“ verlacht und der Traum von der Fußballemanzipation ist bald ausgeträumt. Lotte Specht: „Die Männer haben sogar Steine nach uns geworfen. Und die Zeitungen haben uns durch den Kakao gezogen und geschimpft. Also, es wehte schon der braune Wind 1930. Die deutsche Frau raucht nicht, die deutsche Frau spielt auch kein Fußball. Wir haben nur ein Jahr existiert, auch weil die Zeitungen so übel über uns geschrieben haben und manche Eltern den Mädchen das verboten haben.

NS-Zeit

Die NS-Ideologie erklärt die Mutterschaft zur nationalen Aufgabe. Beim Sporttreiben sollen Frauen nicht bis an ihre Leistungsgrenze vordringen, um sich für Schwangerschaft und Geburt nicht zu schwächen. Der Mädchen- und Frauensport soll zur Schaffung eines neuen, starken und „gesunden arischen“ Frauentyps beitragen. Der „Kampfsport“ Fußball gilt auch unter den Nazis als „nicht fraugemäß“. Dazu bekennt sich auch der gleichgeschaltete DFB in einer Pressemitteilung aus dem Jahre 1936. Für ihn widerspricht „der männliche Kampfcharakter“ des Fußballs „der Würde des Weibes“. Der DFB zählt das Fußballspiel u.a. mit Boxen, Radrennen, Bobfahren und Langstreckenlaufen zu jenen „Sportarten, in denen wir die Frau nicht als Sportausübende treffen, weil ihre Eigenarten nicht dem Wesen der Frau entsprechen“. „Zu hart“ werde auch beim Fußball „um den leistungskrönenden Sieg gerungen“ und „zu gross“ seien „die Anstrengungen, /…/die an den Körper gestellt werden, als dass die Frau sie je als Durchschnittsleistung erreichen könnte.“

Nachkriegszeit

Auch im konservativen Nachkriegsdeutschland der Bundesrepublik ändert sich nichts Grundsätzliches an der Einstellung der DFB-Funktionäre zum Frauenfußball. 1954 werden die Fußball-Herren Weltmeister, und nach dem „Wunder von Bern“ findet der aktive Kick auch bei Frauen immer mehr Anklang. Vor allem im Ruhrgebiet gründen sich 1955 mehrere Damenfußballvereine, deren Spiele teils vor erstaunlicher Zuschauerzahl stattfinden. „Damenfußball“, wie es damals hieß, wird plötzlich in der Öffentlichkeit diskutiert. Doch für den DFB ist die Sache klar. „Fußball ist kein Frauensport“, erklärt DFB-Präsdient Dr. Peco Bauwens 1955 kategorisch, „wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen.“

Doch auf seinem Bundestag am 30.7.1955 in Berlin muss der DFB das Thema „Damenfußball“ auf die Tagesordnung setzen. Einstimmig beschließen die Herren Funktionäre den männlichen Alleinvertretungsanspruch in Sachen Fußball. Unter anderem deshalb, so Dr. Hubert Claessen, damals Deligierter in Berlin und später DFB-Vorstandmitglied, „weil man sagte, der Körper der Frau ist für den Kampfsport Fußball weder physisch noch seelisch geeignet“. Der DFB lehnt „Damenfußball“ aus „ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen“ ab und verbietet seinen Vereinen (unter Androhung von Strafe bei Zuwiderhandlung) „Damenfußballabteilungen zu gründen“ und „ihre Spielplätze für Damenfußballspiele zur Verfügung zu stellen.“ Außerdem untersagt der Verband seinen Schieds- und Linienrichtern, Damenfußballspiele zu leiten.

Damenfußball trotz DFB-Verbot

Doch trotz DFB-Verbot spielen immer mehr Frauen Fußball. Neue Vereine wie Rhenania Essen oder Fortuna Dortmund

Fußballerinnen von Rhenania Essen vor dem Training, 1957.
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Fußballerinnen von Rhenania Essen vor dem Training, 1957.

entstehen, sogar eigene Damenfußball-Verbände. Gespielt wird auf kommunalen Plätzen. Am 23.9.1956 kommt es in Essen vor 18.000 Zuschauern zum ersten „Fußball-Länderspiel der Damen zwischen Westdeutschland und Westholland“. Deutschland gewinnt 2:1, und die Wochenschau kommentiert begeistert: „Die Gleichberechtigung schreitet auch in Fußballstiefeln voran…. Wie Herbergers Schützlinge zu ihren besten Zeiten, so ziehen die jungen Damen elegant und zu allem entschlossen ihre Kreise“.

Titelseite des Programmhefts
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Titelseite des Programmhefts

Als im März 1957 ein zweites Länderspiel zwischen Deutschland und Holland (4:2) im Münchner Dante-Stadion vor 17.000 Zuschauern ausgetragen wird, lobt selbst der „Kicker“ den „Damenfußball“ als durchaus „ästhetisch und sportlich“. DFB- Funktionär Dr. Georg Xandry allerdings schreibt an den Münchener Oberbürgermeister und beschwert sich über die Freigabe des kommunalen Dante-Stadions für Damenfußball: „Der Deutsche Fußballbund hat vor zwei Jahren /../ das Fußballspiel für Frauen als jeglichem sportlichen Empfinden widersprechend abgelehnt./…/ Mit der in Frage stehenden Veranstaltung sind sie uns in unserem Kampf gegen den Damenfußball gleichsam in den Rücken gefallen.“Zuweilen gibt es heftige Ressentiments am Spielfeldrand. „Da musste man sich schon mal die Backe abputzen, da wurd‘ man schon mal angespuckt, von oben bis unten angeguckt und gefragt: Was macht ihr Weiber auf’m Sportplatz?“, erinnert sich Helga Nell, die damals unter

Helga Nell (r.) und Ans Brouwer, 1957
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Helga Nell (r.) und Ans Brouwer, 1957

ihrem Mädchennamen Tönnies bei Rhenania Essen spielte. Doch nach Länderspielen gibt es Blumensträuße, müssen Autogramme geschrieben werden. Die Auswahlspiele werden von Damenfußball-Verbänden in West- bzw. Süddeutschland organisiert, die sich Mitte der 1960er-Jahre wieder auflösen. Doch bis 1965 sind mehr als 150 solcher Auswahlspiele u.a. gegen Teams aus England, Österreich, Italien und den Niederlanden nachgewiesen. Mitunter kommt es auch zu unseriösen Damenfußball-Veranstaltungen. So im Herbst 1957 bei der inoffiziellen Damenfußball-Europameisterschaft in Berlin. Das Turnier wird eine Pleite, die Veranstalter werden wegen Betrugs verhaftet.Aufhebung der DFB-Verbots – 1. Deutsche MeisterschaftEnde der 1960er-Jahre gibt es bundesweit bereits 40.000 bis 60.000 Kickerinnen, einige davon bereits „subversiv“ in DFB-Vereinen. Im Zuge der Studentenbewegung und der so genannten 68er Revolution etabliert sich auch eine neue Frauenbewegung. Unter dem Motto „mehr Demokratie wagen“ setzt ein Liberalisierungs- und Umdenkungsprozess ein, das traditionelle Frauenbild verändert sich. Auch der DFB beginnt umzudenken und hebt am 31.10.1970 sein Damenfußball-Verbot auf. Trotzdem gibt es noch verbandsinterne Widerstände gegen die Fußballerinnen. Die Funktionäre verordnen den Frauen zunächst einmal ein gesondertes Regelwerk. Die Spielzeit wird auf 2×30 Minuten verkürzt, man betrachtet den kleineren Jugendball als eher frauengemäß und verbietet dem weiblichen Geschlecht das Tragen von grobem Stollenschuhwerk. „Alles Regeln, die uns mehr behindert als gefördert haben“, meint Monika Koch-Emsermann, langjährige Spielerin und Trainerin beim FSV Frankfurt. Die weibliche Fußball-Leidenschaft lässt sich nicht bremsen. 1971 verzeichnet der DFB bereits 112.000 weibliche Mitglieder. Bald gibt es einen bundesweiten Spielbetrieb, und im September 1974 wird die erste deutsche Frauenfußball-Meisterschaft ausgespielt. Im Finale gewinnt TuS Wörrstadt mit 4:0 gegen DJK Eintracht Erle aus Gelsenkirchen.

Frauenfußball in der DDR

Die Fußballerinnen der DDR müssen auf eine eigene Meisterschaft noch länger warten. Im Jahre 1968 gründet der bulgarische Student Vladimir Zwetkov mit der BSG Empor Mitte-Dresden die erste ostdeutsche Frauenfußballelf. Ein Jahr später findet zwischen Dresden und Empor Possendorf vor 1.600 Zuschauern das erste Frauenfußballspiel in der DDR statt. Kurz darauf wird in Dresden bereits in einer Stadtliga gekickt. Doch mit Frauenfußball sind noch keine internationalen Titel und Medaillen zu gewinnen. Sein propagandistischer Wert ist äußerst gering. Folglich schenkt das Regime ihm wenig Beachtung. Zu dieser Zeit, so DDR-Nationalspielerin Doreen Meier, stößt Frauenfußball vielerorts noch „auf Unverständnis und Ablehnung bei den Verantwortlichen.“

1979 beschließt der DDR-Fußballverband die Einführung einer überregionalen DDR-Bestenermittlung. Zwei Jahre später kicken bereits 360 Frauenteams um den Titel der „DDR-Besten-Frauenmannschaft“. Eine richtige Meisterschaft führt der Verband allerdings erst 1990 durch, kurz vor der Vereinigung der beiden deutschen Staaten. Meister wird die BSG Post Rostock. In diesem Jahr findet auch das erste und einzige Länderspiel einer DDR-Frauen-Nationalelf statt. Am 9. Mai 1990 verliert die DDR in Potsdam gegen die CSFR mit 0:3.

Frauen-Nationalelf – Durchbruch bei der Europameisterschaft 1989

Als der DFB im Frühjahr 1981 eine Einladung aus Taiwan zu einer inoffiziellen Frauenfußball-WM erhält, gibt es noch keine Frauenauswahl im Verband. Der DFB schickt daraufhin den amtierenden Deutschen Meister SSG Bergisch-Gladbach nach Taiwan, der überraschend das Turnier gewinnt. Schließlich beginnt der DFB mit dem Aufbau einer Frauenfußball-Nationalelf und im November 1982 findet das erste offizielle Länderspiel in Koblenz statt. Coach ist Gero Bisanz, Co-Trainerin Anne Trabant-Haarbach. Vor 5.500 Zuschauern gewinnen die deutschen Kickerinnen mit 5:1 gegen die Schweiz.

DFB-Prämie für den EM-Titel 1989: ein Kaffee- und Tafelservice (1b Ware)
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DFB-Prämie für den EM-Titel 1989: ein Kaffee- und Tafelservice (1b Ware)

Der Durchbruch gelingt 1989 bei der Frauenfußball-EM im eigenen Land. In Osnabrück sehen 22.000 Zuschauer im ausverkauften Stadion das Endspiel zwischen Deutschland und Norwegen. Deutschlands Frauen gewinnen mit 4:1. „Ein Riesenerlebnis, von der Atmosphäre, von der Stimmung unwiederholbar“, schwärmt die Duisburger Rekordnationalspielerin Martina Voss noch heute. Der Titel ist der DFB-Spitze auch eine Prämie wert. Scheinbar noch immer im Geiste der 1950er-Jahre erhalten die Europameisterinnen hausfrauengerecht ein Tafelservice, und das in minderwertiger 1B-Qualität.Wir sind Weltmeisterin Die Entwicklung des deutschen Mädchen- und Frauenfußballs geht rasant weiter. Auch der DFB erkennt die Zeichen der Zeit und entwickelt immer umfangreichere Förderprogramme. 1990 wird die zweigleisige Bundesliga eingeführt, ein Jahr später nimmt die deutsche Elf an der ersten offiziellen Weltmeisterschaft in China teil und bei der Europameisterschaft im gleichen Jahr verteidigt sie erfolgreich ihren Titel. Bis heute gewinnen Deutschlands Kickerinnen sechsmal die Europameisterschaft, zuletzt im Sommer 2005. Auch auf Vereinseben werden internationale Maßstäbe gesetzt. 2002 gewinnt der 1.FFC Frankfurt den UEFA-Cup, 2005 Turbine Potsdam. Die Krönung der erfolgreichen Arbeit in den letzten Jahren erfährt das Nationalteam um Bundestrainerin Tina Theune-Meyer im Herbst 2003 bei der Weltmeisterschaft in den USA. Durch Nia Künzers „Golden Goal“ gewinnt die Elf das Finale gegen Schweden mit 2:1 und wird „Weltmeisterin“. Dieser Erfolg lässt die Anmeldungen im Bereich Mädchenfußball deutlich ansteigen. In Jahr 2005 verzeichnet der DFB bereits 870.000 Mädchen und Frauen unter seinen Mitgliedern.

Zum Weiterlesen:
Eduard Hoffmann / Jürgen Nendza:
Verlacht, verboten und gefeiert
Zur Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland.
3. umfassend erweiterte und aktualisierte Auflage.
224 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Ladenpreis: 10,– Euro
Verlag Ralf Liebe 2011