Ein japanisches Märchen

Nach drei spannenden, dramatischen und unterhaltsamen Wochen endete am Sonntag die Frauenfußball-WM im eigenen Land. Das Sommermärchen 2011 ist nun vorbei. Ein Sommermärchen? Ja, es war ein Märchen. Nicht für alle. Aber für viele. Das liegt im Auge des Betrachters.

Wenn man ehrlich ist, hätten die Gebrüder Grimm dieses Märchen nicht besser erzählen können. Vor nicht einmal vier Monaten wurde Japan von einer unglaublichen Katastrophe heimgesucht. Viele Menschen ließen ihr Leben, verloren Hab und Gut und jegliche Hoffnung auf eine positive Zukunft. Auch viele Nationalspielerinnen waren von der Katastrophe unmittelbar betroffen. Mal abgesehen von der seelischen und psychischen Belastung, wurde der Spielbetrieb eingestellt, Vereine verloren ihre Existenz und Trainingsanlagen wurden vom verheerenden Tsunami einfach weggespült. Eine optimale Vorbereitung sieht definitiv anders aus. Und doch spielte keine Mannschaft bei dieser Weltmeisterschaft so erfrischend und locker auf, wie die japanische.

Verdiente Gewinner

Glaubt man an das Gute im Märchen konnte es bei dieser WM –  zumindest nach dem Ausscheiden der DFB-Elf – nur einen Weltmeister geben: Japan. Und das nicht unverdient. Schon in der Vorrunde galten die Asiatinnen als Geheimfavorit. Nach dem Erfolg über Deutschland im Viertelfinale traute man Japan auch zu Recht den WM-Titel zu. Wie auch gegen die DFB-Auswahl war Japan der USA im Endspiel spielerisch nicht gewachsen, doch taktisch hat Japan bewiesen, dass sie zur absoluten Weltspitze gehören.

 Nicht immer ein gutes Ende

Dass ein Märchen nicht immer ein Happy-End haben muss, sieht man an der deutschen Mannschaft. Klar, die Erwartungshaltung der Zuschauer, Fans, Medien und selbst der Mannschaft war so groß, dass ein Scheitern eigentlich vorprogrammiert war. Aber auch die spielerische Qualität ließ bei der DFB-Elf mehr als zu wünschen übrig. Die Lockerheit aus den Vorbereitungsspielen ist frühzeitig verloren gegangen, die Erwartungen jedoch stetig gestiegen. Die Spielerinnen mussten sich dem enormen Mediendruck stellen und kamen nur zum Teil damit klar. Und auch Silvia Neid geriet zunehmend in die Kritik und dürfte in Zukunft bei vielen deutschen Fans aber auch bei manchen Medien einen schwierigen Stand haben.

 Deutsche Gewinnerin

Und doch gibt es auch aus der schwarz-rot-goldenen Brille betrachtet positive Aspekte. Immerhin sind wir gegen den späteren Weltmeister ausgeschieden und wir haben einen Weltmeister in den eigenen Reihen: Bibiana Steinhaus. Die 32-jährige Schiedsrichterin bestach durch ihre souveräne Leistungen und  wurde zu Recht mit dem Pfeifen des Finales belohnt. Gut, gegenüber so mancher Kollegin konnte sie nur gut aussehen. Waren doch kuriose Entscheidungen wie der zwischenzeitliche Verfall in den Handballsport bei dieser WM nichts Unübliches. Doch Steinhaus zeigte wie gewohnt eine souveräne und hervorragende Leistung. Die Bewerbung für ihren Aufstieg in die erste Bundesliga der Herren dürfte gelungen sein.

 Gewinner und Verlierer

In jedem guten Märchen gibt es Gewinner und Verlierer. Zu den Gewinnern zählten bei dieser WM definitiv auch die vielen Zuschauer. Auto-Korsos, Balkon-Schmuck, gehisste Flaggen und Fan-Meilen blieben zwar Mangeware, doch fast 800.000 Zuschauer in den Stadien, zum Teil über 18 Millionen Fans vor dem Bildschirm trugen Ihren Teil zu einem gelungen Fest bei. 26.000 Zuschauer kamen pro Spiel ins Stadion, das entspricht einer Auslastung von 86 %. Ein unglaublicher Wert, der vor allem den DFB freuen wird. So konnte der aufgestellte Etat von 51 Millionen Euro gedeckt werden. Auch die Medien sind begeistert über diese Zahlen. Die Erwartungen wurden weit übertroffen. Zu den Verlierern gehört auf jeden Fall die Nationalmannschaft Nordkoreas. Der abenteuerliche Versuch zunächst die schlechte Leistung und dann den Dopingskandal um fünf Nationalspielerinnen auf einen Blitzeinschlag im Trainingslager zurückzuführen, ist kläglich gescheitert und sorgte im allgemeinen nur für bemitleidendes Lächeln.  

 Der große Verlierer – Vereinsfußball

Leider wird auch der Vereinsfußball der Frauen mit großer Wahrscheinlichkeit zumindest nicht zu den Gewinnern dieser WM gehören. Der Frauenfußball allgemein profitiert von dieser WM. Zumindest in der Spitze. Der DFB wird weiteres Geld in die Nationalmannschaft und Nachwuchsmannschaften investieren. Die Mannschaft soll im internationalen Vergleich schließlich eine Marke bleiben.

Doch der Vereinsfußball wird nicht profitieren können. Ab August wird der graue Ligaalltag wieder einkehren. Erstliga-Spiele die vor wenigen hundert Zuschauern und ohne mediale Aufbereitung stattfinden,  Bundesligavereine die ums nackte Überleben kämpfen und Nachwuchsfußball auf den Aschenplätzen der Nation. Vielleicht konnten sich einige Mädchen für den Frauenfußball begeistern, vielleicht werden die Vereine einen leichten Zuwachs verzeichnen. Der erhoffte Boom wird ausbleiben. Und auch die Werbefiguren dieser WM werden voraussichtlich schnell wieder von der Bildschirmfläche verschwinden.

Ein Märchen hat oft ein Happy-End. Aber nicht jedes und nicht für jeden. Auch das kommt immer auf die jeweilige Perspektive an.