Von Facebook vor’s Arbeitsgericht – Geposteter Frust über den Chef kann zur Kündigung führen

Im Internet ist vieles schneller geschrieben als es in der Realität gesagt worden wäre. Auch wenn es Ärger auf der Arbeit gibt, wird der Unmut schnell in einem sozialen Netzwerk gepostet, um Familie und Freunde in Kenntnis zu setzen und sich eventuell auch Bestätigung zu holen. Folgende Urteile zeigen, in welchen Fällen es weniger ratsam ist, sich online abfällig über den Vorgesetzten oder die Kollegen zu äußern.

Ein ganz besonderer Fall beschäftigte 2012 nicht nur das Arbeitsgericht Bochum, sondern auch das Landesarbeitsgericht in Hamm: Zwei Pflegekräfte, die während ihrer Probezeit entlassen worden waren, hatten bei Facebook ihrem Ärger Luft gemacht und ihren Arbeitgeber dabei als „arme Pfanne von Chef“ und den Betrieb als „armseligen Saftladen“ betitelt. Der Arbeitgeber klagte daraufhin vor dem Arbeitsgericht Bochum auf Unterlassung solcher Äußerungen. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Im Wesentlichen fiel diese Entscheidung aus zwei Gründen. Zum einen ging es darum, dass sich die Arbeitgeberin durch die Beleidigungen gegen die leitenden Angestellten angegriffen fühlte. Dies ließ das Gericht nicht zu, sondern argumentierte, dass nur die leitenden Angestellten selbst gegen die Beleidigungen vorgehen könnten. Zum anderen seien die getätigten Aussagen von dem Recht auf Meinungsfreiheit abgedeckt. Die zuständigen Richter behandelten hier den Dialog auf der Facebook-Pinnwand wie ein vertrauliches Gespräch unter Freunden oder Bekannten, da die Pinnwand nur für die Freunde eines der Beklagten einsehbar war und damit nicht für die Öffentlichkeit. In diesem Fall dürften die Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass Äußerungen im Rahmen von privaten Gesprächen nicht nach außen getragen werden und so arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen würden. Hinzu kam, dass durch die gebrauchten Abkürzungen die Arbeitgeberin für Außenstehende nur schwer zu identifizieren war und zudem berücksichtigt werden müsse, dass nach einer Kündigung Äußerungen über den ehemaligen Arbeitgeber grundsätzlich emotionaler ausfallen. In einem Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Hamm wurde der Rechtsstreit schlussendlich beigelegt, nachdem die beleidigenden Aussagen bereits entfernt worden waren. 

Online gestellte Aussagen entfalten betriebsöffentliche Wirkung

Fälle wie dieser, der Rechtsanwälte, die Richter und die Presse in Bochum bewegte, häufen sich. Immer mehr Angestellte machen ihrem Ärger online Luft, ohne darüber nachzudenken, ob die getippten Dinge schlussendlich beim Falschen ankommen. Anders als im genannten Fall sind die Arbeitnehmer in den meisten Fällen noch bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt, wenn sie sich abfällig äußern. Nicht in jedem Fall urteilten die Richter so eindeutig für den Arbeitnehmer wie in Bochum geschehen. Oft folgen auf solche ausfallenden Bemerkungen, offline wie online, verhaltensbedingte Kündigungen. „Eine verhaltensbedingte Kündigung ist – in der Regel nach vorheriger Abmahnung – möglich, wenn insbesondere erhebliche Verstöße des Arbeitnehmers gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen vorliegen. Es handelt sich zum Beispiel um Verfehlungen wie Arbeitsverweigerung, unerlaubte Arbeitsversäumnis, Fehl-, Schlecht- und Minderleistungen, Beleidigungen und Tätlichkeiten, Verstöße gegen den Betriebsfrieden und gegen die betriebliche Ordnung“, erläutert Heiner Hanefeld, Rechtsanwalt Bochum.

Das Arbeitsgericht in Duisburg machte beispielsweise in der Entscheidung über eine Kündigung keinen Unterschied darin, ob das Facebook-Profil öffentlich oder nur für Freunde einsehbar sei. In dem Fall, der 2012 verhandelt wurde, hatte der Kläger seine Kollegen als „Speckrollen“ und „Klugscheißer“ bezeichnet und war dafür von seinem Arbeitgeber fristlos gekündigt worden. Gegen die Kündigung hatte der Arbeitnehmer geklagt. Das Arbeitsgericht stellte fest, dass solche Beleidigungen in der Tat Grund genug für eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung seien. Hierbei sei es unerheblich, für wen das Profil des Klägers zugänglich sei, da die Eintragungen bis zu ihrer Löschung immer wieder einsehbar seien und deshalb nachhaltig in die Rechte der Betroffenen eingreifen würden. Da viele der Arbeitskollegen des Arbeitnehmers bei Facebook seine „Freunde“ waren und hierdurch Zugang zu dem vorgenommenen Post hatten, werteten die Richter diesen Eintrag als öffentlich und damit nicht mehr von den Kriterien eines vertraulichen Gespräches oder einer privaten Äußerung betroffen. Im Endergebnis befand das Gericht die Kündigung allerdings für unwirksam, da die Äußerungen des Klägers im Affekt geschehen seien, nachdem er erfahren hatte, dass er von Kollegen zu Unrecht bei seinem Arbeitgeber denunziert worden war. Außerdem wirkte sich die Tatsache, dass er seine Kollegen nicht namentlich benannt hatte, zugunsten des Klägers aus.

Der Argumentation einer betriebsöffentlichen Wirkung schloss sich das Arbeitsgericht Hagen 2012 in einem anderen Fall an, in dem ein 52-jähriger Arbeitnehmer seinen Chef in einem Post beleidigte und bedrohte. Der Arbeitnehmer hatte einem seiner Kollegen an die Pinnwand gepostet und wurde für die dort getätigten Äußerungen fristlos entlassen. Das Arbeitsgericht Hagen entschied, dass die vorgenommenen Aussagen und das darauf aufbauende Pinnwand-Gespräch betriebsöffentlich geführt worden seien, weil knapp die Hälfte der Facebook-Freunde des Arbeitnehmers Kollegen waren. Hierdurch sei auch in diesem Fall das Geschehen auf einer Facebook-Pinnwand kein vertrauliches Gespräch. Im abschließenden Urteil erklärte das Gericht die außerordentliche Kündigung für unwirksam, eine ordentliche Kündigung allerdings für wirksam und begründete dies damit, dass neben der betriebsöffentlichen Wirkung die Härte und Ehrverletzung der Äußerungen kaum zu übertreffen seien. Gegen die außerordentliche Kündigung sprachen für das Gericht zwei Argumente, die der Verteidiger des Arbeitnehmers vorbrachte: Zum einen sei das Alter des Klägers hier zu berücksichtigen, welches ihm einen Erfolg auf dem Arbeitsmarkt erschweren würde. Zum anderen hätte ein Bedienfehler seitens des Arbeitnehmers vorgelegen, der seinen Kollegen eigentlich eine Privatnachricht schicken wollte und sich nicht erklären könne, wie die Konversation auf der Pinnwand seines Kollegen gelandet sei.

Das Urteil hängt vom Richter ab

Wie das Urteil in solchen Fällen ausfällt, ist scheinbar wirklich sehr vom jeweils zuständigen Gericht abhängig. In Bochum scheinen die Richter eher Arbeitnehmer-freundlich zu urteilen. Auch im Fall eines 27-jährigen Auszubildenden, der seinen Arbeitgeber als „Ausbeuter“ und „Menschenschinder“ betitelte, gaben die Richter dem Arbeitnehmer recht. Nachdem der Arbeitgeber die Eintragungen entdeckt hatte, hatte er seinem Auszubildenden fristlos gekündigt. Diese Kündigung erklärten die Richter des Arbeitsgerichtes für ungültig. Überraschend zunächst, da der Auszubildende die Angaben in dem Bereich für „Arbeitgeber“ machte, der in der Regel für alle Facebook-Nutzer öffentlich zugänglich ist. Jedoch argumentierte das Gericht, dass das Profil des Klägers erhebliche Zeichen für Unreife aufweise und es demnach in der Pflicht des Ausbilders gelegen hätte, seinen Zögling charakterlich zurechtzuweisen, statt ihm zu kündigen. Obwohl der Auszubildende vorbrachte, dass die Äußerungen „lustig“ und „überspitzt“ gemeint waren, revidierte das Landesarbeitsgericht Hamm das Urteil aus Bochum in zweiter Instanz und befand die Kündigung für wirksam. Bei den vom Kläger gemachten Angaben handle es sich definitiv um Beleidigungen und entgegen der Auffassung aus Bochum entschieden die Richter in Hamm, dass der Auszubildende mit 27 Jahren alt genug sei und genug Lebenserfahrung besäße, um die Konsequenzen dieser Angaben abzusehen.

Was gilt jetzt und in Zukunft?

Die wichtigsten Erkenntnisse aus den Urteilen zusammengefasst:

  • Je kleiner der Personenkreis, desto mehr kann man sich erlauben: Es kommt auf die Reichweite des Facebook-Posts an, ob man seinen Chef öffentlich beleidigt oder ob es sich um eine private Äußerung handelt.
  • Der Richter entscheidet: Es ist abhängig von Gericht und Richter, ob Arbeitnehmer oder Arbeitgeber Recht bekommt. Manche Gerichte urteilen eher Arbeitnehmer-, andere eher Arbeitgeber-freundlich.
  • Im Grundsatz gilt: Manches bleibt lieber offline. Auch wenn sich jeder einmal über seinen Chef ärgert und die sozialen Netzwerke einen großen Teil unseres Privatlebens ausmachen, sollte der Frust mit dem Chef oder den Kollegen doch lieber wirklich privat bleiben.