2040 Vier Prozent Frauenanteil?

2040 Vier Prozent Frauenanteil? Interview mit Bettina Orlopp, Partnerin bei McKinsey und Referentin auf der 1. Mixed Leadership Conference powered by Leading Women im Feb. 2011 in Hamburg. Wir fragten, warum sich das Problem nicht demographisch lösen wird, welche Instrumente Frauen wirklich den Aufstieg ebnen und welche Rolle berufliche Netzwerke dabei einnehmen.

Dr. Bettina Orlopp ist Partnerin im Münchener Büro von McKinsey & Company. Sie berät europäische Finanzinstitute in den Bereichen Private/Retail Banking sowie HR und ist Leiterin der deutschen Women&Family Initiative für McKinsey.
Seit geraumer Zeit beschäftigt die vielzitierte Studie „Women Matter“ deutsche und internationale Medien. Die Studie bestätigte die nach wie vor niedrige Zahl von Frauen in Management und Aufsichtsräten deutscher Unternehmen. Wir haben mit Bettina Orlopp darüber gesprochen, warum sich das Problem nicht demographisch lösen wird, welche Instrumente Frauen wirklich den Aufstieg ebnen und welche Rolle berufliche Netzwerke dabei einnehmen.

McKinsey hat sich 2007 das erste Mal mit dem Thema „Frauen in Führungspositionen“ in der Studie Women Matter beschäftigt. Kürzlich kam die vierte Auflage der Studie raus. Die öffentliche Aufmerksamkeit hat sich seitdem enorm gewandelt, woran glauben Sie liegt das?
Die Unternehmen sehen die Förderung weiblicher Toptalente inzwischen als eine klare betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Frauen zu fördern ist keine nette Geste, sondern ein logisches Kalkül: Wenn Firmen das Potenzial des weiblichen Talentpools nutzen, verbessern sie ihre Position. Dieser Perspektive schließen sich immer mehr Unternehmen an, daher bekommt auch die öffentliche Diskussion ganz neue Töne. Gleichzeitig ist der Nachholbedarf immer noch enorm, in den Vorstandsetagen und Führungsgremien sind Frauen weiterhin stark unterrepräsentiert. In Deutschlands Aufsichtsräten sind Frauen mit 13% vertreten, in Vorständen nur mit 2%.

Hinsichtlich der Zahl der Studienabgänger haben Frauen die Männer inzwischen überholt. Könnte man nicht annehmen, dass sich das Problem zum einen mit der Wahl der „richtigen“ Studienfächer (MINT) als auch der demografischen Entwicklung zukünftig allein lösen wird?
Natürlich wäre ein höherer Anteil Studentinnen in diesen Fächern wünschenswert. Von den in Deutschland Studierenden sind 55% weiblich, in den Fächern Mathematik, Ingenieurwesen, Naturwissenschaften und Technik aber nur 32%. Da wäre ein Umdenken wünschenswert – so wie bei manchen Unternehmen, denen die demografische Entwicklung die Notwendigkeit eines gezielten Talentmanagements deutlich gemacht hat. Zudem haben unsere Analysen gezeigt, dass eine schlichte Erhöhung der Absolventinnenzahlen noch nicht das Problem alleine löst. In Deutschland lag beispielsweise der Anteil weiblicher Hochschulabsolventinnen 1974 bereits bei 34%, der Anteil weiblicher Führungskräfte liegt heute aber gerade mal bei 2%. Bei bloßer Fortschreibung bedeutet ein Frauenanteil von 55%, dass bis 2040 ein Frauenanteil von 4% erreicht werden kann.

Sie haben einige kritische Faktoren identifiziert, die in einem Unternehmen erfüllt sein müssen, damit Frauen in Führungspositionen gelangen können. Welchen Stellenwert haben dabei berufliche Netzwerke?
Persönliche Netzwerke helfen, keine Frage. Sie zu fördern, ist das dritthäufigste Instrument der Unternehmen in der Unterstützung von Frauenkarrieren. Nach unseren Analysen sind die wichtigsten Faktoren, um Frauen den Aufstieg zu ebnen: Erstens eine sichtbare Unterstützung des Topmanagements für dieses Thema. Zweitens gezielte Förderprogramme. Und drittens ein Mentorenmodell, in dem erfahrene Führungsfrauen junge weibliche Talente auf ihrem Weg nach oben mit Rat und Tat begleiten.

Nach unserer Erfahrung netzwerken Frauen weniger als Männer. Woran glauben Sie liegt das?
Dazu haben wir keine Untersuchungen gemacht, aber nach meiner persönlichen Erfahrung sind die bestehenden Netzwerke in Unternehmen noch sehr männerdominiert, Frauen sind zurückhaltend, in diese Netwerke vorzudringen. Vielleicht unterschätzen auch viele Frauen die Bedeutung des Netzwerkens im Berufsleben. Sie sagen: Das schaffe ich auch alleine.

Sie haben herausgefunden, dass Unternehmen mit einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis höhere Gewinne erzielen als jene, in denen ein Geschlecht – meistens die Männer – dominiert. Was entgegnen Sie auf den Einwand, dass die Unternehmen mit höherem Frauenanteil dann einfach nur ein besseres Auswahlverfahren für Top-Besetzungen eingeführt haben, bei dem – unabhängig vom Geschlecht – die besten Kandidaten an die Spitze gelangten?
Unsere Analyse sagt nicht, dass mehr Frauen Unternehmen erfolgreicher machen. Um es einmal wissenschaftlich auszudrücken: Wir haben keine Kausalität festgestellt, sondern eine Korrelation. Unternehmen mit gemischten Führungsteams waren statistisch erfolgreicher. Natürlich kann das an Verfahren zur Personalauswahl liegen, die die besseren Talente nach oben bringt – das ist ja kein Widerspruch zu einem hohen Frauenanteil.

Interview: Angela Rittig