Mixed Leadership – ein Wirtschaftsförderungs-Programm!

Mixed Leadership ist kein Frauenförderungs- sondern ein Wirtschaftsförderungs-Programm, denn gemischte Führungsteams sind nachweislich erfolgreicher, lautete das Credo der Konferenz. Umso unverständlicher sei es, dass das Potential exzellent ausgebildeter Frauen nicht genutzt werde. Hochkarätige Referentinnen und Referenten vermittelten einen Rundum-Einblick in Praxis und Herausforderungen.

Schauplatz: Altes Hauptzollamt in Hamburgs neu gestalteter Speicherstadt. Das stylishe Ambiente bildete am 21. März 2012 den Rahmen für die „2. Mixed Leadership Conference“. Eingeladen hatte Sylvia Tarves, Geschäftsführerin von Leading Women, einer Personal- und Strategieberatung für Gender Diversity Management. Rund 100 High Performer aus Wirtschaft und Wissenschaft, davon etwa 10 Prozent Männer, waren der Einladung gefolgt.

Viele Reformen sind ordnungspolitisch durchgesetzt worden, erinnerte Thomas Sattelberger, Personalvorstand der Deutschen Telekom, mit Hinblick auf eine staatlich festgelegte Frauenquote. Er warnte vor den Gefahren geschlossener Systeme. Ob Gorch Fock, die großen US-Business Schools oder auch die Führungsriegen deutscher Unternehmen: Homogene Kulturen mit Ausgrenzungsritualen seien stark in der operativen Umsetzung. In Veränderungssituationen hätten sich offene Systeme jedoch immer besser bewährt, so Sattelberger.

Die Publizistin und Politikberaterin Kerstin Plehwe empfahl Frauen, sich ehrlich die Frage zu beantworten, welchen Preis sie für die Karriere bereit seien zu zahlen. Umgekehrt müsse ihr Partner sich fragen, wieweit er bereit sei, eine Frau in Top-Position an seiner (privaten) Seite zu haben. Der weibliche Wunsch nach Harmonie und Beliebtheit funktioniere in gemischten Teams nicht, unterstrich Plehwe.

Gender-Veränderungen auf der Führungsebene im Schneckentempo

Die Ergebnisse des aktuellen Managerinnen-Barometers stellte Dr. Elke Holst vor, Forschungsdirektorin Gender Studies am DIW Berlin (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung). Sie bedauerte, dass sich in den letzten Jahren auf den Spitzen-Positionen der Top-200-Unternehmen nicht viel bewegt habe. „Selbst bei Banken und Versicherungen hat sich der Anteil von Frauen auf den Leitungsebenen nicht verbessert – und das trotz Finanzkrise und dem damit einhergehenden großen Stühlerücken.“

Ursula Schwarzenbart, Director Global Diversity der Daimler AG, verantwortet die überaus breit gefächerte Aktivitäten-Palette des Diversity Managements, mit der der Konzern u.a. den Frauenanteil in leitenden Positionen bis 2020 auf 20 Prozent erhöhen will. Dies ist auch Bestandteil der jährlichen Zielvereinbarungen auf der Ebene der Führungskräfte und hat in diesem Jahr Auswirkungen in Form von nicht gezahlten Boni gezeigt. Daimler setzt statt Quote auf ein „branchenspezifisches Selbst-Commitment“, weil z.B. eine Bank andere Möglichkeiten der Frauenförderung habe als ein Automobilhersteller. „Die momentane politische Diskussion in Deutschland unterstützt unsere Zielsetzung ganz erheblich“, betont Schwarzenbart.

FidAR-Präsidentin Monika Schulz-Strelow rief alle Männer und Frauen dazu auf, die „Berliner Erklärung“ zu unterschreiben. In ihr wird als ein erster Schritt eine 30-Prozent-Quote in den Aufsichtsräten von Kapitalgesellschaften gefordert. 15.000 haben bereits unterzeichnet, darunter Vertreter aller politischen Parteien, 50.000 sind das Ziel.

Vielfalt ist Bereicherung

Nach seinen eigenen Beobachtungen ist für Gisbert Rühl, Vorstandsvorsitzender der Klöckner Co. SE, der Wettbewerb bei Frauen untereinander nicht so stark ausgeprägt wie bei Männern. Das könne für gewisse Führungsebenen ein Vorteil sein, aber auch zum Nachteil werden. Denn wenn man nach ganz oben gelangen wolle, müsse man auch irgendwann mal „einen wegbeißen“, eine gewisse Aggressivität an den Tag legen, so Rühl. Frauen sollten jedoch nicht zu sehr „Mann“ werden, denn dann kämen die so genannten weiblichen Kompetenzen nicht mehr zum Tragen, würden also keine Ergänzung mehr darstellen. Es gelte, die Balance zu finden.

Der Komplexität der Herausforderungen können monokulturelle Teams heute nicht mehr begegnen, betonte Ana-Cristina Grohnert, Mitglied der Geschäftsführung von Ernst Young. Nur Führungsteams, die Vielfalt als Bereicherung empfänden, hätten die Chance, Antworten zu finden. Dass in unseren Köpfen männliche Vorbilder verankert seien, mache eine Kulturveränderung in den Unternehmen umso schwieriger. Was alles möglich sei, zeige jedoch, dass heute ein Schwarzer US-Präsident ist und eine Frau Bundeskanzlerin. Das wäre vor 60 Jahren noch undenkbar gewesen.

Kulturveränderung frühzeitig lenken

Dr. Rolf Stomberg, Aufsichtsratsvorsitzender der Lanxess AG, hält den Einzug der Quote via Brüssel für wahrscheinlich. Man solle sich jedoch nicht zu viel davon versprechen. Das Beispiel Norwegen zeige, dass sich trotz eines Frauenanteils von 40 Prozent in den Aufsichtsräten nicht viel in den unteren Führungsetagen geändert habe. In Deutschland sei schon aufgrund des deutschen Rechts nicht mit Veränderungen zu rechnen, da der Aufsichtsrat keinen direkten operativen Einfluss habe. Man müsse früher ansetzen, so Stomberg, und z.B. das Interesse an MINT-Studienfächern forcieren, bei Männer und Frauen gleichermaßen.

Die Workshops, die das Programm flankierten, waren ebenfalls hochkarätig besetzt: Dr. Bettina Orlopp, Partnerin von McKinsey, Julia D. Tzanakakis von Ernst Young, Prof. Dr. Angelika Wagner von der Universität Hamburg, Kathinka Best und Elena Gertje von der Fraunhofer Gesellschaft sowie Xing-Managerin Angela Rittig diskutierten mit den Teilnehmer in kleinen Arbeitsgruppen komplementäre Fragestellungen.

Den “roten Faden“ der Konferenz hielt Wirtschaftsmoderator und Publizist Werner Lauff, der amüsant und bestens vorbereitet durch den Tag führte.