Die zwei Schlüsselfaktoren der Positiven Psychologie

5. Europäischer Kongress zu Positiver Psychologie in Kopenhagen. Professor Barbara Fredrickson erklärt, wie und warum positive Gefühle funktionieren und welchen Nutzen wir privat und geschäftlich daraus ziehen können.

23- – 26. Juni 2010, Kopenhagen

Der 5. Europäische Kongress zu Positiver Psychologie ist in vollem Gange. Vier Tage vollgepackt mit Vorträgen, Workshops, Symposien und vielen neuen und alten Erkenntnissen. Am Morgen des zweiten Tages betritt Prof. Barbara Fredrickson um 09:15 die Bühne. Fredrickson gilt als der „Rockstar“ der Positiven Psychologie, als das Gesicht dieser neuen jungen Wissenschaft. Der Titel ihres Vortrags:
„Was positive Gefühle für uns tun können, und warum“

1. Kernfaktor – Positivität öffnet uns

Als erstes legt Fredrikson einen visuelle Anker aus, nämlich eine Wasserlilie, die sich öffnet wenn Sonnenlicht auf sie trifft. Genauso verhält es sich bei Menschen, die auf eine positive Stimmung treffen. Sie öffnen sich für Neues, nehmen Dinge wahr, die sonst im Alltag untergegangen wären, seien es schöne Momente oder Ansätze zu erfolgreichen Problemlösungen.

Dass diese positiven Stimmungen nicht vom Himmel fallen, sondern relativ einfach zu erzeugen sind, weist Fredrickson anhand ihrer vielfältigen wissenschaftlichen Experimente nach.

Wie erzeugt man eine positive Stimmung im Labor?

Um Personen in einen positiven Zustand zu versetzen, wurden ihnen kurze Filmclips mit tollpatschigen kleinen Hunden, lustigen Pinguinen oder schönen Landschaften gezeigt. Alternativ wurden mitreißende Musikmelodien eingespielt oder Süßigkeiten verteilt.
Danach erhielten die Testpersonen die Aufgabe, sich auf einem Bildschirm, der zwei kleine Fotos von Gesichtern zeigte, auf nur ein Foto zu konzentrieren, nämlich das Foto, das sich in der Mitte des Bildschirms befand. Alternativ gab es visuelle Tests mit geographischen Mustern. Die Augenbewegungen wurden durch Eyetracking gemessen.

Das Ergebnis erstaunt nicht: Personen die sich in einem neutralen Gefühlszustand befanden, sahen tatsächlich nur das Bild in der Mitte an. Die positiv gestimmten Testpersonen sahen sich alle Bilder an. Eine weitere Untersuchung zeigte Probanden Gesichter, die als Collage von Häusern eingerahmt waren. Die Anweisung lautete: Konzentration auf das Gesicht. Negativ und neutral gestimmte Personen sahen tatsächlich nur das Gesicht, positiv gestimmte hingegen das ganze Bild, auch wenn es vorher nicht angeordnet wurde. Zugleich erhöhte sich die Merkfähigkeit bei den positiv gestimmten Probanden.
Positive Stimmung macht kreativ und leistungsfähig.

Erweiterte Wahrnehmung erhöht geistige Leistung

Fredrickson konstatiert: Wenn wir positiv gestimmt sind, sehen wir mehr, wir haben eine erweiterte Wahrnehmung, wir sind kreativer. Eine verbesserte Wahrnehmung erleichtert die Lösung von schwierigen Problemen, macht geistig und gesundheitlich widerstandsfähig und bringt positive Nebenwirkungen wie eine erhöhte Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit mit sich. Fredrickson weist dies in einer Reihe beeindruckender Untersuchungen mit Schulkindern nach, die in Klassenarbeiten zum Jahresende weitaus besser abschnitten als ihre Vergleichsgruppen. Auch scheint sich eine positive Stimmung wesentlich auf Managerleistungen auszuwirken, wie Fredrickson in mehreren Untersuchungen belegt. Ihre Forscherkollegen Kopelman, Rosetteund Thompson weisen in diesem Zusammenhang nach, dass positive Emotionen Verhandlungen erfolgreicher machen.

Ganz erstaunlich sind auch Untersuchungen mit Ärzten, die bessere diagnostische Leistungen erbrachten, wenn sie im Vorfeld eine Tüte mit Süßigkeiten erhielten.

2. Kernfaktor: Positive Stimmung ist nachhaltig… wenn wir konstant üben.

Positive Gefühle sind flüchtig. Wir fühlen uns gut für einen Moment, dann kehren wir in die Neutralität zurück. Das bedeutet nichts anderes als dass sich jedermann wieder und wieder mit der Erzeugung von positiven Gefühlen beschäftigen muss.

Die gute Nachricht ist: wenn wir uns über einen längeren Zeitraum mit Übungen und Techniken zur Erzeugung von positiven Erlebnissen beschäftigen, werden diese irgendwann zu einer Grundhaltung, zu einer Gewohnheit. Auf diese Art und Weise baut sich Positivität über die Zeit auf und sichert nachhaltig eine hohe Lebensqualität, eine Lebensqualität, die sich auch gesundheitlich auswirkt.

Positivität ist gesund

Fredricksons Untersuchungen zeigen dass Personen schon nach 8 Wochen Übung weniger Herzprobleme und weniger Probleme mit Diabetis hatten. Eins ist dabei jedoch wichtig: Die positiven Gefühle müssen echt sein. Echt sein heißt, man muss sie im Kopf und im Körper fühlen. Sich einzureden, dass man in einer positiven Stimmung ist, hat eindeutig negative Auswirkungen auf die Gesundheit.

Was können Sie tun, um auf Dauer positiv zu leben?
Fredrickson nennt eine ganze Reihe von Übungen, die auf Dauer zu einer besseren Lebensqualität führen. Dazu unterhält sie eine Website, die u.a. auch eine Möglichkeit bietet, sich jeden Tag seinen Positivitätspegel ausrechnen zu lassen. Genaue Anleitungen gibt es in ihrem Buch „Positivity“, das momentan leider nur auf Englisch erhältlich ist.
Zu Fredricksons empfohlenen Übungen zählen beispielsweise:

Jeden Tag eine halbe Stunde meditieren
Jeden Abend drei positive Erlebnisse des Tages handschriftlich in ein Tagebuch eintragen
Jeden Tag den eigenen Positivitätspegel feststellen (www.positivityratio.com)
Verlegen Sie Grübeleien auf einen festen Zeitpunkt am Abend.
Vergleichen Sie sich nicht mit anderen
Genießen Sie den Moment

Zu trivial?

Fredrickson thematisiert zum Schluss einen Vorwurf, der die Positive Psychologie seit einiger Zeit verfolgt:
„Das hat Ihnen alles schon Ihre Großmutter geraten, sagen Sie nun vielleicht. Das mag richtig sein, aber sind Sie all diesen Ratschlägen gefolgt? Dauerhaft?“

„Nein, natürlich nicht“ lachen einige der Zuhörer.

„Warum nicht“, kommt die Frage aus einer anderen Ecke des Publikums. Fredrickson schüttelt den Kopf.
„Vielleicht weil wir uns zu sehr von den Medien beeinflussen lassen und somit keine Zeit mehr für das wirklich gute Leben haben. Vielleicht weil wir es erst in der Schule lernen müssen. Oder vielleicht weil es vor uns noch nie jemand wissenschaftlich nachgewiesen hat. Aber das haben wir ja gerade geändert. “