Weit und breit kein Gegner für Frau Neid

Hatte DFB-Boss Zwanziger keinen Plan B? Wer hätte nach dem völlig überraschenden Verlust des Spiels gegen Japan eigentlich die Bundestrainerin Silvia Neid ersetzen können? Hat die ehemalige Fleischereifachverkäuferin aus dem Siegerland nicht nur den Kampf um die Weltmeisterschaft im Frauen-Fußball spektakulär verloren, sondern auch den Aufbau einer Vize versäumt?

Als die zierliche Blondine durchblicken ließ, dass sie sich mit Gedanken an ihren Rücktritt quäle, machten ihr alle im Fussball-Deutschand kräftig Mut. DFB-Boss Theo Zwanziger und Generaldirektor Wolfgang Niersbach hatten hundertprozentig auf die Rekord-Fußballerin gesetzt Schon im Juni wurde ihr gut dotierter Vertrag großzügig bis 2016 verlängert. Wenn man als Funktionär so sicher ist, muss man wenige Wochen später seine Enttäuschung über das schlechte Abschneiden der „Frauschaft“ unterdrücken und „everybodys Darling“ Silvia herzhaft an seine breite Männerbrust drücken.

Angebot vom Playboy abgelehnt

Die 47jährige Silvia Neid war lange Wochen der Superstar der vom Fußball faszinierten Nation. Blauäugig, blond (inzwischen wohl gefärbt), zierlich (166 cm groß) und so sexy, dass der Playboy ihr 1995 viel Geld für Nacktaufnahmen zahlen wollte, eroberte sie auch mir ihrer Optik die Aufmerksamkeit der Medien. Ihre sportliche Bravour, ihr Charisma und ihre frauliche Attraktivität ergänzen sich zu einer perfekten Melange.

 Die breite Öffentlichkeit wurde mit Informationen über Frau Neid, die als Single im Kreis Siegen-Wittgenstein lebt,  nicht verwöhnt. Sie wurde am 2. Mai 1964 im Odenwald- Städtchen Walldürn geboren.  Nach ihrem Realschulabschluss absolvierte sie eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin, arbeitete später in Siegen im Blumenhandel ihres Trainers  Gerd Neuser, der die Spielerinnen des TSV Siegen coachte. Für diesen Verein gewann sie sechs Mal die deutsche Meisterschaft (1987 – 1990 – 1991 – 1992 – 1994 und 1996) und fünf Mal den DFB-Pokal (1986 – 1987 – 1988 – 1989 – 1993). Bereits 1984 hatte Silvia Neid mit der SSG 09 Bergisch Gladbach die Deutsche Meisterschaft und den Pokal gewonnen.

 Berti Vogts ebnete ihr den Weg

 Von 1982 bis 1996 gehörte sie zur Nationalmannschaft, erzielte in 111 Begegnungen 48 Tore. Übrigens war Japan schon in den frühen 90er Jahren ein Thema: sie sollte ins Land der aufgehenden Sonne als Profi wechseln, doch Bundestrainer Gero Bisanz weigerte sich,  Gast-Spielerinnen aus Japan für das deutsche Nationalteam zu nominieren. Silvia Neid begrub ihre Träume von der internationalen Karriere und überlegte 1996, in  Siegen eine Boutique oder einen Lottoladen zu eröffnen. Ausgerechnet Berti Vogts gab den Anstoß zur Super-Karriere:  er rief an und fragte, ob sie nicht Trainerin werden wolle. Damals hatte sie nur ihre große Erfahrung aus den Spielen für Siegen und das Nationalteam, aber nicht einmal einen Trainerschein.

 Tina Theune, die „Mutter des Frauenfußballs“

 Trotzdem nahm sie das Angebot sofort an. Nach der Trainerschulung wurde Silvia Neid  Assistentin der ersten deutschen Nationaltrainerin Tina Theune (58), die heute in Frechen bei Köln lebt. Die Tochter eines Pfarrers aus dem Wallfahrtsort Kevelaer erwarb nach ihrem Lehramtsstudium als erste Deutsche eine Fußballlehrerlizenz.  Sie hatte von 1974 bis 1986 bei Grün-Weiß Brauweiler gespielt und gilt mit Recht als die „Mutter des Frauenfußballs“. Unter ihrer Leitung errangen die deutschen Kickerinnen 2003 die erste Weltmeisterschaft, in der auch Silvia Neid mitspielte. Die rheinische Diplom-Sportlehrerin legte den Grundstein für die späteren Erfolge ihrer Nachfolgerin Silvia Neid. Tina Theune wurde 2006 vom Deutschen Staatsbürgerinnen-Verband zur „Frau des Jahres 2006“ gewählt. Schon 1995 hatte sie die Vizeweltmeisterschaft  gewonnen. Drei Europameisterschaften ( 1997 – 2001 – 2005) schmücken ihren Leistungs-Report, dazu die Bronzemedaillen der Olympiaden 2000 und 2004.

 Auf das nächste olympische Edelmetall brauchen sich die deutschen Spielerinnen nun auch keine Hoffnung mehr zu machen. Erst 2016 haben sie wieder eine Chance auf neue Medaillen. Ob die blonde Silvia dann wirklich noch das Kommando führt, steht in den Sternen. Trotz des (vor)schnell verlängerten DFB-Vertrags hat die reale Fußballwelt oft gezeigt, dass Vereinbarungen mit Trainern von heute auf morgen gebrochen werden können.

Noch sind die Granden des Deutschen Fußball-Bundes Neid-Fans, obwohl nach der Niederlage die Zahl der Kritiker gewachsen ist. Es falle ihr schwer, mit konstruktiver Kritik umzugehen, wirft ihr der Potsdamer Meistertrainer Bernd Schröder vor. Ihre Behandlung der Kapitänin Birgit Prinz, die während des Turniers öffentlich demontiert wurde, zeigt Silvia Neid von einer eher unsympathischen Seite. Das hätte sie eleganter lösen müssen.

 Aus Sommerelfen wurden Nervenbündel

 Insgesamt sind die deutschen „Sommerelfen“ in diesem von allen Medien beschworenen „Sommermärchen“ grandios gescheitert. Oft sahen die heulenden Spielerinnen wie die berühmten Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs aus.  Sie zweifelten selbst, ob sie die immensen Erwartungen der fußballverrückten Öffentlichkeit  erfüllen könnten. Selbstbewusstsein hatten sie mehr als genug, Selbstvertrauen aber nicht im ausreichenden Maß.